Charles Gounod

ROMEO ET JULIETTE

07.12.2003
Oper Frankfurt
Musikalische Leitung:
Karen Kamensek
Inszenierung:
Uwe Eric Laufenberg
Bühne:
Gisbert Jäckel
Kostüme:
Kaspar Glarner
Mit:
Dramaturgie: Norbert Abels Licht: Olaf Winter Kampfszenen: Klaus Figge Filmsequenzen: Jakob List Mit: Joseph Calleja, Juanita Lascarro, Elzbieta Ardam, Maria Fontosh, Michael McCrown, Simon Bailey, Johannes Martin Kränzle, Nathaniel Webster, Gérard Lavalle, Daniele Tonini, Franz Mayer, Pere Llombart
Chor:
Alessandro Zuppardo
Rezensionen:

Ewas ist schiefgelaufen- in den alten Mauern der alten Stadtrepublik Verona. Murksen sich doch dort Romeo und Julia aus den verfeindeten Häusern Montague und Capulet aus Liebe gemeinsam ab- und das seit 500 Jahren. Muss ja nicht wirklich sein- wissen wenigstens jetzt die Besucher der Oper Frankfurt seit gestern Abend! "Romeo und Juliette" von Charles Gounod hieß die Erleuchtung, in der keiner wirklich stirbt. Shakespares Hinrichtung durch eine Schnapsidee oder der geniale Wurf von Regisseur Uwe Eric Laufenberg, der aus dem berühmtesten Liebesdrama der Welt eine Art Hassliebe ohne Todesfolge macht? Geschafft hat er das durch einen schlitzäugigen Trick, indem er den Maskenball beim Grafen Capulet zu einem opulenten Ringelpiez mit nackten Damen und halbbekleideten Herren macht. (...)Fazit: Buhs und Riesenbeifall....

Bild, 08.12.2003, 08.12.2003

Uwe Eric Laufenberg, seines Zeichens Regisseur, hält es offensichtlich mit dem Spötter Oscar Wilde: Gäbe es weniger Mitgefühl, hätten wir weniger Ärger auf der Welt. (...) Wie eine in Oberflächlichkeit routierende Revue der zwanziger Jahre inszeniert er jetzt an Frankfurts in selbstbewußtsein und "Opernhaus des Jahres"- Stolz wieder aufblühenden Städtischen Bühnen Charles Gounods lyrisches Drama "Roméo et Juliette" , das man in Deutschland nicht häufig zu sehen bekommt, schon gar nicht mit jener Delikatesse, die dem feinfühlig- sentimentalischen Werk angemessen wäre. Damit aber ja keine Gemütlichkeit aufkommen kann, serviert Laufenberg zum frivolen Treiben im Palast der Capulets gleich eine Brise Sozialkritik als hors d`oevre mit. Auf einem Gazevorhang werden als Reminenz an den ersten Weltkrieg Schlachtenszenen projiziert, die die große Ballszene zu Beginn der Oper wie einen verspäteten Tanz auf dem Vulkan erscheinen lassen. ...Bei all dem verworrenen szenischen Herumfuchteln stellt sich allerdings ein Nebeneffekt ein, den das Inszenierungsteam kaum so bedacht haben kann. Denn je mehr versucht wird, befremdent auf die atmospärischen Strömungen des Werks einzugehen, desto resistenter zeigt sich Gounods Drama in seiner emotionalen Kraft.....

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.12.2003

(...)Doch zu entdecken gab es auch, dass das Team um Regisseur Uwe Eric Laufenberg nach Franco Zeffirellis Shakespeare- Verfilmung und Leonardo di Caprios Romeo kein abermaliges Renaissance- Opernmuseum wollte. Laufenberg schlug aus den zahlreichen Kriegen zwischen den Capulets und den Montagues, zwischen Deutschland und Frankreich mit einer Filmeinspielung aus dem ersten Weltkrieg sowie der wechelseitigen musikalischen Geringschätzung- Gounod hat ja angeblich Goethes "Faust" verunstaltet- szenische Funken: er blickte als Mensch des Jahres 2003 auf Handlung und Musik. Einzige Entsprechung zu Gounods Belle Epocque sind die "Roaring Twenties oder Goldenen Zwanziger Jahre". In einem Nobelhotel spielt eine arrivierte Geldgesellschaft Rollenspiele: zum Spiel im Spiel zieht man Karten für eine Liebesgeschichte samt Eifersucht, Rivalitäten und Tod im Ballsaal, auf Emporen und Treppen. Dazu gibt es käuflichen Sex und Suff, schließlich Schlägereien und Fechtkämpfe in Zeitlupe, dennoch Blut und Tod; der böse Witz des Spiels verlangt dann eine Trauung durch einen schnell verkleideten besoffenen Pater. Doch der Kater, der Absturz aus dem Spiel nahen: im poetisch halbleeren Nebensaal hält Juliette, gerade weil sie verhandelt und verbandelt werden soll, an ihrer Liebes- Rolle fest. Romeo erkennt dies, singt zunächst noch aus dem Klavierauszug mit, löst sie aber am Ende aus der Handlung. Da lieben sich zwei wirklich lebensbestimmend ernst und damit Grenzen sprengend- (...)- Romeo und Juliette als selbstbewußte Menschen des 20. und 21. Jahrhunderts. (...) Jubel und zuviel uneinsichtiges Buh für eine überzeugend durchdachte Neudeutung, die fast einer Entdeckung des Werks für Hier und Heute gleichkam.

NDR, Welle Berlin "Aktuell", Bayern 4 Klassik, 08.12.2003

Die Frankfurter Oper hatte (..) viel versprechende Sänger auf der Bühne und mit Karen Kamsek eine energische Dirgentin ans Pult gestellt. Dazu noch mit Uwe Eric Laufenberg einen Regisseur engagiert, der eher für kühne Konzepte steht als für kulinarisches Musiktheater. Man durfte gespannt sein. Die Liebe zwischen Romeo und Julia war stets mehr als nur eine erste Teenager- Leidenschaft. Sie war zugleich ein Aufbegehren der Jugend gegen die Alten, die sie in eine zerstörerische Welt hineingeboren haben. Laufenberg macht aus diesem Jugendprotest schon während der Ouvertüre ein abgekartetes Spiel: Er verlegt das Stück in die 1920ger Jahre und lässt die zwei Helden auf einem Ball auslosen. Ihre Liebe ist kein Akt des schönes Widerstandes gegen die schlechten Sitten der Eltern mehr, sondert Teil eines allumfassenden Unterhaltungsprogramms. Romeo und Julia hängen sich ihre Rollen wie Lebkuchenherzen um: ein wenig kitschig, ein wenig banal. In einer postmodernen Zeit, in der die jeweils nächte Jugend- Rebellion längst schon zum ritualisierten Bestand des politisches Alltagsgeschäfts zählt, ist das nicht ohne Reiz. Laufenberg gewinnt dem romantischen Liebesdrama einige eindrucksvoll schräge Bilder ab. Ein beträchtlicher Teil des Publikums mochte die Formen zeitkritischer Aktualisierung in Kostüm der Charlestion- Ära nicht und buhte. Begeisterun hingegen ernteten Säönger und Dirigentin.

Die Welt, 09.12.2003

... In Frankfurt hatte indes Uwe Eric Laufenberg eine glanzvolle Idee, einer solchen Kitschfalle zu entgehen. Mit Esprit, Noblesse, Poesie und einem freundlichen Augenzwinkern inszeniert der angehende Intendant des Potsdamer Hans- Otto- Theaters die berühmteste Liebestragödie aller Zeiten als ein Rollenspiel der feinen französischen Gesellschaft zu Beginn der zwanziger Jahre. Als ein Stück des ausgehenden 19. Jahrhunderts fügt sich das auch trefflich, zumal "Romeo und Juliette" mit teils operettenhafter Walzerseligkeit den musikalischen Geschmack der Jahrhundertwende widerspiegelt...

Rhein- Neckar- Zeitung, 18.12.2003
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