Richard Wagner

Tristan und Isolde

07.11.2021
Musikalische Leitung:
Michael Güttler
Inszenierung:
Uwe Eric Laufenberg
Bühne:
Rolf Glittenberg
Kostüme:
Andrea Schmidt-Futterer
Mit:
Premiere Spielzeit 2021.2022 => Tristan | Marco Jentzsch (IMF: Andreas Schager) * Isolde | Barbara Haveman (IMF: Catherine Foster) * König Marke | Young Doo Park (IMF: René Pape) * Kurwenal | KS Thomas de Vries * Melot | Andreas Karasiak * Brangäne | Khatuna Mikaberidze * Ein Steuermann | Yoontaek Rhim * Stimme eines jungen Seemanns | Julian Habermann * Ein Hirt | Erik Biegel ---- Spielzeit 2022.2023 => Tristan | Marco Jentzsch (IMF: Andreas Schager) * Isolde | Magdalena Anna Hofmann (IMF: Anja Harteros) * König Marke | Young Doo Park * Kurwenal | KS Thomas de Vries * Melot | Aaron Cawley * Brangäne | Khatuna Mikaberidze * Ein Steuermann | Yoontaek Rhim * Stimme eines jungen Seemanns | Gustavo Quaresma * Ein Hirt | Erik Biegel
Chor:
Chor & Chorsolisten des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
Orchester:
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden
Termine:

07. November 2021 - Premiere // (ursprünglich geplante Premiere: 01. Mai 2020 / wg. Corona-Pandemie verschoben)
Spielzeit 2021.2022 mit Internationale Maifestspiele (IMF)
Spielzeit 2022.2023:
29. Januar 2023
12. März 2023
28. Mai 2023 - Internationale Maifestspiele (IMF)
2. Juli 2023

Trailer | »Tristan und Isolde«

Rezensionen:

Richard Wagners »Tristan und Isolde« neu inszeniert am Staatstheater Wiesbaden

Fast alle große Wagner-Opern hat Regisseur Uwe Eric Laufenberg bereits inszeniert, sei es bei den Bayreuther Festspielen, an der Oper Köln, dem Landestheater Linz oder am Staatstheater Wiesbaden. Nun setzte er erstmals Tristan und Isolde um. Ursprünglich sollte diese Inszenierung bereits die Internationalen Maifestspiele 2020 eröffnen. Sie war also schon seit Langem geplant und nahezu fertig vorbereitet.

Besonnene und poetische Umsetzung
Laufenbergs bisherige Inszenierungen von Wagnern-Opern sind stets außergewöhnlich, haben imposante Bühnenbilder und bieten meist Bezüge zur Gegenwart. Auch wenn er seinem Stil grundsätzlich treu geblieben ist, seine Umsetzung von Tristan und Isolde ist doch anders als erwartet: Wie entschleunigt, besonnen und wunderbar poetisch. Erneut arbeitete er mit dem Bühnenbildner Rolf Glittenberg zusammen. Statt konkreter Orte für Gemächer und Gärten besteht die Bühne für alle drei Aufzüge (wie Wagner die Akte bezeichnete) aus einer großen Leinwand im Hintergrund und wenig Mobiliar. Sie wirkt eher karg als überbordend.

Im ersten Aufzug gibt es lediglich drei Kleiderstangen mit zahlreichen Kleidersäcken und ein paar Koffern. Im zweiten eine Landschaft von Plateaus die Betten andeuten und im dritten ein Krankenbett und einen Kreis aus Steinen (der sich als Abgang in das Totenreich entpuppt). Natürlich gibt es auch hier Videoprojektionen. Sie erfolgen dezent und gehen nahtlos in die Ausleuchtung der großen Rückwand über. Es sind konkrete Bilder vom Meer und Wolken, abstraktere von einer gewebeartigen Netzstruktur, die nach und nach in einen Feuerstrahl übergeht und von zwei unterschiedlichen Liebespaaren. Gleich zu Beginn wird eine vom Krieg zerstörte Stadt gezeigt. Später Bilder von Kämpfen im Schützengraben und von tätlichen Auseinandersetzungen in einer Stadt. Die Bilder stehen nie im Vordergrund, sind meist nur blass im Hintergrund zu sehen und wecken Assoziationen (Video: Gérard Naziri).

Die Szenerie wird stets in eine traumhafte Atmosphäre verwandelt. Am deutlichsten zeigt sich das beim Kuss zwischen Tristan und Isolde am Ende des ersten Aufzugs mit einem kräftigen Violett, der Farbe für Transzendenz und Übersinnlichkeit. Die Entrücktheit der beiden Hauptfiguren entfaltet hier ihren Höhepunkt. Schön, dass das ja eher geistige Liebesspiel der beiden hier im zweiten Aufzug mit vier nahezu textilfrei gekleideten Tanzpaaren szenisch bereichert wird.
[...]

Rollendebüts für Tristan und Isolde
Beide Titelrollen erfordern außerordentlich viel an stimmlichem Durchhalte- und Durchsetzungsvermögen. Tenor Marco Jentzsch hat schon früh Wagner gesungen (Stolzing in Die Meistersinger von Nürnberg 2009 an der Oper Köln), den Tristan gibt er hier erstmals. Dabei steigert er sich von Aufzug zu Aufzug und gibt der Figur eine kraftstrotzende, vitale Note. Die niederländische Sopranistin Barbara Haveman gibt eine tief empfindsame, aber dennoch starke Isolde. Auch für sie ein Rollendebüt.

Schon bei der vorherigen Tristan und Isolde Inszenierung von Dietrich Hilsdorf (2009) verkörperte KS Thomas de Vries den Kurwenal. Souverän besticht er mit großer stimmlicher Autorität, wie auch der Bass Young Doo Park als König Marke sehr gut beim Publikum (Schlussapplaus) ankommt. Die gebürtige Georgierin Khatuna Mikaberidze behauptet sich als Brangäne sehr gut. [...] Am Pult des Hessischen Staatsorchesters Wiesbaden sorgt der Wagner-erfahrene Dirigent Michael Güttlert für eine in den Bann ziehende musikalische Umsetzung [...].

Für den Schluss hat Uwe Eric Laufenberg eine berührende Lösung gefunden. Vor dem geistigen Auge Isoldes (und des Publikums) erscheint der bereits verstorbene Tristan, lehnt sich an sie und gemeinsam gehen sie ins Licht, in die Ewigkeit.
Am Ende viel Applaus für diese bezaubernde Umsetzung.

kulturfreak, Markus Gründig, 08.11.2021

»Musikalisch stark gestaltet«: Rezension zu »Tristan und Isolde« in Wiesbaden

Der erste Aufzug ist sehr ansprechend. Richard Wagners Tristan und Isolde, in der Inszenierung von Intendant Uwe Eric Laufenberg am Staatstheater Wiesbaden ein stimmiges, attraktives Paar, werden uns als Menschen vorgestellt. Tristan, Marco Jentzsch, steht da in breitbeiniger Brust-raus-Pose, sein Kurwenal, Thomas de Vries, treu an seiner Seite. Die Frauen, Isolde, Barbara Haveman, und Brangäne, Khatuna Mikaberidze, sitzen unruhig, zum Warten gezwungen.

Die Kostüme von Andrea Schmidt-Futterer sind zeitlos. Rolf Glittenbergs Bühne wird von der großen Leinwand beherrscht, auf der passenderweise Wasser zu sehen ist. Alles konzentriert sich ohnehin auf die vier vorne, die befangen sind, aber unexaltiert. Umso unangestrengter zeigt sich, dass die Liebe längst da ist. Als sie mithillfe des Tranks endlich ausbrechen darf, wird nächtlich bläuliches Licht über die Bühne gegossen.

Der zweite Aufzug hat die zurückhaltende Möblierung durch einige Podeste und seidige Tücher ersetzt. Während das Publikum der größten und längsten Liebesnacht aller Zeiten entgegenhört, huschen vier Pärchen in weißen Ganzkörperstrumpfhosen unter die Tücher, die nachher das Paar umtanzen und vielleicht klar machen sollen, dass es hier unter anderem um Erotik in höchstem Ausmaß geht. Zunächst wirken die vier Paare auch wie Gipsfiguren, sie stellen kleine Tableaus, die einen neugierig machen. [...]

Musikalisch gestaltet es sich nicht nur stark, sondern auch mit einer Steigerung, die im Langstreckenereignis „Tristan und Isolde“ eine besondere Leistung darstellt. Am erstaunlichsten in dieser Hinsicht der Tenor Jentzsch, ein lyrischer, wunderbar jugendlich wirkender Schönklang-Tristan mit wenig heldenhaften Ambitionen, so dass man sich zunächst vielleicht Sorgen macht. Aber langer Atem und Stehvermögen bescheren ihm und uns auch im Marathon des dritten Aufzugs Farbenreichtum und Feinmodulation. Das Liebesduett im zweiten geht zwischen dem Kintopp nicht ganz verschütt, geschmeidig und weit erotischer als die sie Umtanzenden fügen sich Jentzschs mühelos in Höhen wandelnder Tenor und Havemans schwerer, dunkeltimbrierter, warmer Sopran zusammen. Wenn sie am Ende zum golden gestalteten Liebestod kommt, weiß sie glänzend damit umzugehen.

Auch die anderen Rollen überzeugen, Young Doo Park ist ein abgeklärter, großer Marke, Mikaberidze eine reizvoll grundmelancholische Brangäne, de Vries ein markanter Kurwenal, Biegel als Hirte wie immer auf den Punkt und hellwach. [...] Dirigent Michael Güttler geht es kraftvoll an und lässt im vollbesetzten Wagner-Orchester vor allem die Streicher groß und sämig ausholen, ja, es ist eine Freude.

Frankfurter Rundschau, Judith von Sternburg, 09.11.2021

Liebe im Kornfeld: Im Staatstheater hat Wagners „Tristan“ Premiere

Eine Garderobe, Koffer, ein Sessel, Vorhänge, kaum mehr. Die lichtvolle Bühne, die Rolf Glit-tenberg für den ersten Aufzug von Richard Wagners Oper „Tristan und Isolde“ errichtet hat, lässt hoffen, dass in Uwe Eric Laufenbergs Neuinszenierung am Staatstheater Wiesbaden die Räume so offen bleiben. Für das innere Geschehen der 1865 in München uraufgeführten „Handlung in drei Aufzügen“, für die Musik. Denn schon das Vorspiel mit dem seinerseits ins harmonisch Offene weisenden Tristan-Akkord lässt staunen. Der aus Dresden stammende Dirigent Michael Güttler, der Proben und Premiere kurz nach Saisonbeginn vom aus dem Amt geschiedenen Gene-ralmusikdirektor Patrick Lange übernommen hatte, lässt mit dem Hessischen Staatsorchester Meer und Musik branden – mit einer an diesem Haus lange vermissten Mischung aus Leidenschaft und Genauigkeit, die über die gesamte Neuproduktion trägt.

Zusammen mit einem Solistenensemble gelingt Güttler eine häufig ins Rauschhafte reichende, dramatisch bewegte Wagner-Auslegung. Schon auf der Überfahrt von Irland nach Cornwall lässt es der Gastdirigent musikalisch so stringent zur Sache gehen, dass kein Zweifel bleibt: Höchstens äußerlich mögen erst die vertauschten Zaubermittelchen von Isoldes Dienerin Brangäne dafür sorgen, dass sich Tristan, eigentlich als Brautwerber seines Königs unterwegs, und Isolde gegen alle Konventionen ineinander verlieben. Güttler und das Orchester schildern das mit reichem Farbspektrum und häufig vorbildlich transparenter Durchhörbarkeit, auch in der „Nacht der Liebe“ des zweiten Aufzugs, in dem sich die Musik gegen die Bühne behaupten muss. [...]

In den Hauptpartien verbindet sich Marco Jentzsch mit seinem auch verletzlich wirkenden, vokal weniger muskulösen als zwischentonreichen Tristan reizvoll mit der von deutlichen Mezzo-Farben grundierten Isolde Barbara Havemans. Ihnen zur Seite stehen vokal verlässliche Dienerfiguren, wobei Khatuna Mikaberidze ihre Brangäne-Rufe im zweiten Akt sehr eindringlich aus dem Bühnen-Off dringen lässt. Thomas de Vries bleibt als Begleiter von Tristans Fieberträumen des dritten Aufzugs ein konstanter, baritonal verlässlicher Kurwenal, der sich auch auf seinen gespal-tenen Herrn einzustellen weiß. Denn der Verwundete im Krankenhausbett vor ihm ist ein Statis-ten-Double, während Jentzsch in todesnahem Weiß nicht nur etwas gespenstisch über die Bühne streift, sondern der Farbenlehre von Andrea Schmidt-Futterers königsblauen und schwarzen Kostümen eine letzte Facette hinzufügt. [...]

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Axel Zibulski, 09.11.2021

Wiesbaden: TRISTAN UND ISOLDE. Premiere

Wähnte ich mich im Glauben vor wenigen Wochen in Füssen die musikalisch optimale Aufführung von „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner erlebt zu haben, doch weit gefehlt, es gibt immer wieder wundersame Überraschungen und die widerfuhr mir heute zur Premiere am Hessischen Staatstheater Wiesbaden. Wobei es sich allerdings hauptsächlich um das Tristan-Debüt von Marco Jentzsch handelte.

Den noch jungen Tenor erlebte ich vor 7 Jahren als Kaiser in „Die Frau ohne Schatten“ und betitelte die schöne Stimme damals als Rohdiamanten. Inzwischen mutierte die Vokalise von Marco Jentzsch zum lupenrein-facettenreichen Schliff eines Solitärs. Ein neuer Fixstern erstrahlte im musikalischen Wagner-Kosmos. In absolut völliger Rollenidentifikation durchlebte der Debütant die verwirrenden Skalen der Emotionen des Titelhelden auf bewundernswerte Weise. Ein jugendlich-strahlender Tristan mit emphatisch lyrischen Färbungen kam, sang und siegte. Jentzsch präsentierte seinen wunderschön timbrierten Tenor in allerbester Manier, überraschte mit technischer Reife, vortrefflich-intensiver Artikulation, sehr hoher Musikalität. Prächtig nuanciert ließ der Sänger sein herrliches Material stets auf Linie fließen, setzte noch im dritten Aufzug zu Tristans traumatisierten Erzählungen vokale Differenzierungen und schönstimmige Höhenausbrüche von geradezu magischer Intensität.

Pointiert wurden zudem die vokalen Attribute durch die attraktive männliche Erscheinung eines schlanken Zweimeter-Hünen. Eine absolute Sensation.

Ohne jedoch die Qualitäten weiterer Kollegen zu mindern errang sich Young Doo Park die zweite Krone des Abends. In Perfektion verströmte der Bassist sein exquisites Material in kontrastreichem, individuellem Wohlklang, verlieh König Marke mit intensivem Spiel zu majestätischer Würde und Größe.

In vokaler Akkuratesse präsentierte Ks. Thomas de Vries sein imposantes, metallisches, markantes Bariton-Potenzial und überzeugte zudem darstellerisch als treusorgender Kurwenal.

Hellstrahlende Tenöre Julian Habermann/Erik Biegel schenkten dem jungen Seemann und Hirten vokales Profil. Ein tenoral keifender Melot (Andreas Karasiak) sowie Yoontaek Rhim als Steuermann ergänzten die Herren-Riege, sowie der Herrenchor (Albert Horne) des Staatstheaters.

Nun zolle ich jeder Künstlerin welche sich an die Wagner-Heroinen Brünnhilde oder Isolde wagt meinen absoluten Respekt. Barbara Haveman war eine weitere Abend-Debütantin in der Rolle der Isolde. Die Sängerin verfügt über einen lyrischen Sopran welcher sich allmählich in jugendlich-dramatische Gefilde der Racheausbrüche des ersten Aufzugs steigerte. [...]

Intensiv im Spiel und Ausdruck, mit kultiviert sattem dunklem Mezzosopran gesegnet schenkte Khatuna Mikaberidze der Brangäne komplexes Profil. [...]

Merker / Oper international, Gerhard Hoffmann, 09.11.2021

Tristan und Isolde, Premiere im Staatstheater Wiesbaden

Liebe, das Elixier des Lebens
Tristan und Isolde (1865) in der Version von Richards Wagner (1813-1883) ist zweifelsohne die sinnlichste, aufwühlendste, erregendste Liebesgeschichte, die für die Opernwelt jemals geschrieben wurde. Und noch heute zieht sie die Menschen in ihren Bann. Wie das? fragt man sich, wo wir doch in einer Welt der dominierenden Maschinisierung, Digitalisierung und Funktionalisierung aller menschlicher Gefühle, Emotionen wie auch der Empathie leben.
Die Antwort ist so simpel wie wahr: Weil wir Menschen sind und die Liebe das Elixier des Lebens ist und immer bleiben wird.
Tristan und Isolde füllte auch das wunderbare neobarocke Staatstheater in Wiesbaden mit Wagner-Liebhabern, Opernbegeisterten sowie Liebessehnsüchtigen in Zeiten der Abstände, Trennungen und gegenseitigen Mistrauens. Bei wirklich entspanntem Ambiente (großes Lob an den Veranstalter) harrte man erwartungsvoll der dramatischen zwischenmenschlichen Handlung auf der Bühne. Und man wurde keineswegs enttäuscht.

Zwischen Todes- und Liebestrank
Bereits das Vorspiel des Orchesters (Leitung: Michael Güttler), bei noch geschlossener Bühne, ließ die Liebesqual, die Sehnsucht, die Leidenschaft der beiden Hauptprotagonisten verspüren. Wagners legendärer Tristanakkord, eine sich nicht auflösende verminderter Septe, wies bereits den Weg in die Unendlichkeit und Unerfüllbarkeit der reinen unschuldigen Liebe.
Der Vorhang öffnet sich und Isolde (Barbara Haveman, Sopran) und Brangäne (Khatuna Mikaberidze, Sopran), ihre Dienerin und Vertraute, befinden sich im Reisemodus. Eine Menge Koffer und voll behangene Kleiderständer füllen den Raum (Rolf Glittenberg, Bühne). Im Hintergrund eine Riesenleinwand mit Videoeinblendungen (Gérard Naziri, Video, Andreas Frank, Licht). Felsen und Meer beleben die düstere Vorahnung. [...]

Kurzweilig und spannungsgeladen
Sehr kurzweilig und dramaturgisch spannungsgeladen der 1. Akt. Dazu schauspielerisch und sängerisch äußerst ansprechende Partien. Barbara Haveman und Marco Jentzsch gaben ein schönes Paar ab, harmonierten von Anfang an perfekt. Herausragend der kräftige, dramatische Sopran von Khatuna Mikaberidze und der warme lautstarke Bariton von KS Thomas de Vries.

Ein endlos erscheinendes Liebesgedicht
Der zweite Aufzug beginnt abermals mit einem bewegten blendend vorgetragenen Vorspiel des Orchesters. Es ist der Einstieg in ein endlos erscheinendes Liebesgedicht, ein Poem der Nacht in einem samtenen, Kosmos verbundenen As-Dur.
Tristan und Isolde treffen sich heimlich, während die Welt in Form einer Fackel brennt. Die Bühne ist in Rot, Braun, Blau gehüllt und mit von schwarzen Tüchern bedeckten Sockeln besetzt. Vier Tanz-Paare begleiten das Duett der Beiden im Hintergrund. Sind es Nachtelfen? Amoren, Liebesgötter? Oder lebendig gewordene griechische Statuen, von nacktem Ebenmaß? Eigentlich von allem Etwas. In blau-weißen Farben imitieren sie die nächtlichen Liebesgeheimnisse der Liebenden mit zartester Orchesterbegleitung: „Oh sink hernieder, Nacht der Liebe“. Es ist das Eins-Werden, die restlose Verschmelzung von Tristan und Isolde bis hin zum Höhepunkt, die vollkommenste Erfüllung im Liebestod: „So stürben wir, um ungetrennt, ewig einig ohne End …“. Ein musikalischer wie sängerischer Hochgenuss. [...]

Ein Hochgenuss mit Abstrichen
[...] Ein Hochgenuss, dieser zweite Aufzug. Alles stimmte, nur das Video wirkte befremdlich. Wohl auch Anlass für einige Pfiffe am Ende der Oper.

Beklemmendes Liebesleid
Der Schluss-Akt gehörte zu den dramaturgischen und sängerischen Leckerbissen dieser Premiere. Zurück in seiner Burg Kareol liegt Tristan auf einem Krankenbett wie tot. Ein Hirte (Erik Biegel, Bariton) eingehüllt in eine Plane und wie ein Menhir von Steinen umsäumt, inmitten der Bühne thronend (Andrea Schmitt-Futterer, Kostüme), spielt auf seiner Schalmei (Englisch Horn im Orchester) eine ergreifende musikalische Weise. Kurwenal sitzt stumm am Bett, im Hintergrund schneebedeckte Berge, die langsam in einen beigen Nebel verschwinden.
Tristan wacht auf, ist verwirrt und wünscht sich im Fieberwahn Isolde herbei. Sein Volk begrüßt ihn, lässt ihn hochleben, erkennt seinen körperlichen und geistigen Zustand und erscheint dann auf der Bühne mit einem Sarg. Gemeinsam (mit Tristan) gehen sie von dieser Welt und verschwinden in einem Erdloch, das sich inmitten der Steine auftut. Eine beklemmende Szene, die das Liebesleid sinnbildlich verallgemeinert.

Körper und Seele
Tristan hat sich mittlerweile in Körper und Seele geteilt. Ein nackter Mann, in Größe und Aussehen ihm ähnlich, entsteigt dem Erdloch und legt sich ins Krankenbett, während Tristans zweite Hälfte, seine Seele, ganz in Weiß gekleidet, wie die Auferstehung Jesu Christi, den Liebesfluch: „Liebestrug und Minnezwang“ herausbrüllt. Unheimlich, mitreißend.
Mittlerweile verfärbt sich die Bühne in ein helles Türkis, das Schiff mit Isolde wird vom Hirten angesagt (auf dem Video erscheint eine weibliche Gestalt von hinten mit langen blonden Haaren). Als Isolde, ebenfalls ganz in Weiß die Bühne betritt, ist die Seele Tristans bereits im Jenseits, sein Körper liegt im Bett und wird von Isolde jubelnd begrüßt: „Tristan der Held in jubelnder Kraft …“ Sie möchte nur noch eine Stunde der Liebe.

Wahnsinn, statt Friede und Versöhnung
Stimmungswechsel. Marke und sein Gefolge erscheinen. Kurwenal missdeutet die Ankunft, es kommt zum Gefecht und dem einzigen Einsatz der Kendo-Statisten (das Video zeigt zudem Kriegsszenen aus dem 2. Weltkrieg), bei dem Kurwenal fällt. Marke allerdings ist entsetzt über den Wahnsinn, denn er wollte Frieden und Versöhnung. Das Entsetzen beherrscht kurzzeitig die Bühne. Isolde sitzt reglos inmitten des Chaos, erhebt sich, während alle die Bühne verlassen, allem Irdischen weit entrückt und singt: „Mild und leise, wie er lächelt“ am Bett des Toten, der aufsteht (es ist tatsächlich der wirkliche Tristan, nicht sein Double!) und gemeinsam mit ihr in Richtung des Lichts, dass im Background heller und heller wird, von der Bühne verschwindet: „In des Welt Atems –wehendem All, ertrinken, versinken, unbewusst, höchste Lust“. Zurück bleibt das leere Krankenbett, an dem Kurwenal, der absolut treue Schildträger Tristans, Totenwache hält.

Spannung, Verklärung, Ekstase, Inbrunst
Ein überirdischer Liebestod, dramatisch kaum zu überbieten. Dieser dritte Aufzug gehört zum Besten, was diese Opernpremiere zu bieten hatte. Spannung, Verklärung, Ekstase und Inbrunst. An dieser Stelle sei noch einmal größtes Lob an die Inszenierung (Uwe Eric Laufenberg), an die musikalische Leitung und das hessische Staatsorchester (Michael Güttler) und all die oben genannten TeammitgliederInnen (Tänzer und Chor nicht zu vergessen) gerichtet.
Der Beifall war überschwänglich, mit einigen Pfiffen gemischt. Herausragend vom Publikum bedacht wurde jedoch Young Doo Park als Kurwenal, der am Ende des zweiten Aktes eine bemerkenswerte Arie hinlegte. Ebenso Khatuna Mikaberidze als Brangäne. Marco Jentzsch hat sich bereits als Stolzing in Wagners Meistersinger in Wiesbaden bestens eingeführt. Sein heller, klarer, mitunter lyrischer Tenor passte perfekt zu der von Barbara Haveman, deren Sopran anfangs ausdrucksstark und klar, mit gar dramatischer Attitüde brillierte. Die eigenwillige Inszenierung von Uwe Eric Lauterbach verstand es, wie üblich, das Drama zu aktualisieren und das Hohelied der Liebe, die keine Macht der Welt (auch nicht vorgegebene gesellschaftliche Norm) verhindern kann, auf die Bühne zu zaubern. Absoluter Chapeau an ihn wie alle Mitwirkenden.

hboscaiolo.blogspot, Helmut Wäldele, 07.11.2021
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