Torsten Becker

KATTE (Uraufführung)

22.09.2006
Hans Otto Theater Potsdam, Neues Theater am See
Inszenierung:
Uwe Eric Laufenberg
Bühne:
Kaspar Glarner
Kostüme:
Antje Sternberg
Mit:
Manfred Karge, Hendrik Schubert, Moritz Führmann, Jennifer Antoni, Gisela Leipert, Andeas Hermann, Hans- Jochen Röhrig, Philipp Mauritz, Hannes Wegener
Rezensionen:

Es ist dies die Gretchenfrage einer jeden Theaterneueröffnung, die auch schon Goethe schlaflose Nächte bereitete: Womit beginnen? Immerhin soll das Stück ja etwas Programmatisches haben. Bloß - was ist das? Und dann: Will man sich aktuell oder eher traditionell geben? Außerdem gibt es da ja auch noch so etwas wie den Geist des Ortes, der bedacht sein will. Thorsten Beckers „Katte“, die erste der fünf Premieren im neuen Potsdamer Theater, ist da so etwas wie ein Glücksfall. Ein Gegenwartsautor, 1958 geboren, hat sich eines klassischen Stoffs angenommen, der noch dazu aufs Engste mit der Stadt an der Havel verbunden ist. Der Titel sagt es schon: Es ist jene urpreußische Geschichte um den großen Friedrich in jungen Jahren, der im Bunde mit Freund Katte versucht, den Fängen des so übermächtigen wie verhassten Vaters zu entkommen. In dieser Konfliktlage ist es nicht allein ein Historienstück, sondern ein Tableau über Generationendifferenzen schlechthin.
Uwe Eric Laufenberg, Intendant und erster Hausregisseur, nahm den Parforceritt durch die Geschichte als Herausforderung. Man spürt seine Lust, mit den technischen Möglichkeiten des neuen Hauses die vielfältigen Schattierungen des Becker-Geflechts anklingen zu lassen. Er startet mit einem preußischen Bilderbogen. König Friedrich Wilhelm I. hat seine Familie um sich versammelt, er doziert, was sie ihm ist, diese Welt, die von ihm gleichsam mit erschaffen wurde.
Die Idylle hat nur einen Makel: Dass der Kronprinz, der gerade mal wieder in Frauenkleidern herumgeistert, so gar nicht in diese streng gefügte Ordnung passen will. Doch die Knute, die der Vater den Sohn spüren lässt, bringt schließlich die ganze ach so heile Welt zum Einstürzen. Die Wände des Schlosssaals fallen in sich zusammen, der Zuschauer hat den freien Blick auf ein weites Feld, anfangs noch begrenzt von einer Toransicht, bald aber über die Hinterbühne offen bis in das reale Draußen. Auch die Seitenwände sind ganz alltäglich, sie führen das Dekor des Saales mit den recht unsensibel eingesetzten signalroten Türen für die Utensilien des Feuerschutzes auf der Bühne fort. Was zunächst nur als ironisches Zitat erscheint, macht doch auch szenisch Sinn, wenn sich die Türen öffnen und so zu Umkleidekabinen werden, in denen sich ein knappes Dutzend frisch rekrutierter Soldaten, eben noch nackt und geschunden, die preußischen Uniformen überstreift.
Von draußen, aus der Alltagswelt, kommt dann auch jenes Pferd auf die Bühne getrottet, das als Zeichen steht für den Fluchtwillen von Katte und Friedrich. Laufenberg fand im Bunde mit Ausstatter Kaspar Glarner beeindruckende Bilder, die dem eigenwilligen Text eine starke theatralische Dimension geben, so, wenn sich langsam ein mit Leuchtröhren bestücktes Gitter auf die Bühne herabsenkt, das erst die Bedrängnis der beiden Flüchtigen spiegelt und am Ende den Kronprinzen fast erdrückt.
Henrik Schubert spielt den jungen Friedrich als tändelnden Musensohn, der am Ende aber doch sehr genau weiß, wie er die Macht, die ihm zufällt, nutzen muss. Moritz Führmann hat den schwierigen Part des Katte, zwar titelgebend, aber doch immer im Schatten des Kronprinzen, eine Art Katalysator, der - bis in den Tode - die nötigen Impulse gibt, damit der Königssohn letztlich zu sich selbst findet. Führmann zeigt sehr schön das Grüblerische wie das Draufgängerische, das Katte hat, das Hinundhergerissene, wenn er sich seiner Neigung zu Friedrichs Schwester Wilhelmine (Jennipher Antoni) hingibt und doch auch des Kronprinzen Annäherungen nicht zurückweisen mag.
Manfred Karge ist der Maschinist des Repressionsapparates, der Friedrich meint und Katte trifft. Ein königlicher Patriarch, wie er im Buche steht, einer, der immer nur das Beste will für die Seinen, jovial, grob, auch verzeihend, und der so gar nicht versteht, warum seine Zeit abgelaufen sein soll. Es ist dies eine der Täuschungen, wie wir sie immer wieder erleben, im Großen wie im Kleinen: Der Vater meint, den Widerstand des Sohnes endgültig gebrochen zu haben, aber wie Friedrich sein „dienen, dienen, dienen“ herausstößt, wird klar, dass er nicht das väterliche System meint. Immer lauter werdende Deutschland-Rufe beantwortet der Kronprinz auf seine Art - auf französisch. Viel Beifall!

Märkische Allgemeine Zeitung, 23.09.2006

Manfred Karge zeichnet die Zerrissenheit Friedrich Wilhelms I. zwischen Vaterherz und Staatsvernunft mit trockener Süffisanz.
Uwe Eric Laufenberg gelingt es, diese trockene Geschichtsillustration samt Familienfolklore, Mutter-Intrige und Militärdrill mit Geschmack und Spannung zu inszenieren.

Berliner Morgenpost, 23.09.2006

Das Stück ist fürchterlich.
Becker hat, scheinbar ganz im Ernst, heute, im Jahr 2006, ein gereimtes Versdrama geschrieben, über den Schrecken preußischer Disziplin, ein Vater-Sohn-Drama, das mit gewolltem Pathos den militärischen Drill am alten Preußenhof anklagt.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 24.09.2006

Es ist dann doch erstaunlich, wie es Uwe Eric Laufenberg gelingt, diese dichterische Fleißarbeit und vorsätzliche Antiquität einigermaßen ansehbar zu machen.

Kulturradio des RBB, 23.09.2006

In Manfred Karge fand Laufenberg einen hervorragenden Darsteller für den Soldatenkönig. Er denunzierte den König nicht ganz, sondern ließ ihm in seiner Sorge um den Staat so manches „gute Haar“. Am Ende der rund zweistündigen Aufführung gab es viel Beifall für Becker, das Regieteam und die Darsteller.

Potsdamer Neueste Nachrichten, 25.09.2006
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