Giacomo Puccini

Il trittico

01.05.2021
Musikalische Leitung:
Alexander Joel
Inszenierung:
Uwe Eric Laufenberg
Bühne:
Gisbert Jäkel
Kostüme:
Jessica Karge
Mit:
Besetzung Wiederaufnahme 2022.2023: IL TABARRO => Michele | Daniel Luis de Vicente * Luigi | Aaron Cawley * Tinca | Erik Biegel * Talpa | Wolf Matthias Friedrich * Giorgetta | Cristina Pasaroiu (IMF: Olesya Golovneva) * Frugola | Romina Boscolo * Liederverkäufer / Liebespaar | Ioan Hotea * Liebespaar | Stella An, Ioan Hotea ---- SUOR ANGELICA => Schwester Angelica | Cristina Pasaroiu (IMF: Olesya Golovneva) * Fürstin | Romina Boscolo * Äbtissin / Schwester Eiferin | Fleuranne Brockway * Schwester Genoveva | Stella An * Schwester Dolcina | Britta Stallmeister * u.a. ---- GIANNI SCHICCI => Gianni Schicchi | Daniel Luis de Vicente * Lauretta | Cristina Pasaroiu (IMF: Olesya Golovneva) * Zita | Romina Boscolo * Rinuccio | Ioan Hotea * Gherardo | Erik Biegel * Nella | Britta Stallmeister * Betto di Signa | Benjamin Russell * Simone | Wolf Matthias Friedrich * Marco | Christopher Bolduc * Ciesca | Fleuranne Brockway * u.a. Premierenbesetzung 2020.2021: IL TABARRO => Michele | Daniel Luis de Vicente * Luigi | Aaron Cawley * Tinca | Erik Biegel * Talpa | Wolf Matthias Friedrich * Giorgetta | Olesya Golovneva * Frugola | Romina Boscolo * Ein Liebespaar | Ioan Hotea, Stella An -- SUOR ANGELICA => Schwester Angelica | Olesya Golovneva * Fürstin | Romina Boscolo * Äbtissin / Schwester Eiferin | Fleuranne Brockway * Schwester Genoveva | Stella An * Schwester Dolcina | Britta Stallmeister * u.a. -- GIANNI SCHICCI => Gianni Schicchi | Daniel Luis de Vicente * Lauretta | Olesya Golovneva * Zita | Romina Boscolo * Rinuccio | Ioan Hotea * Gherardo | Erik Biegel * Nella | Britta Stallmeister * Gherardino | Philipp Donhauser * Betto di Signa | Benjamin Russell * Simone | Wolf Matthias Friedrich * Marco | Christopher Bolduc * Ciesca | Fleuranne Brockway * u.a.
Chor:
Hessisches Staatstheater Wiesbaden
Orchester:
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden
Termine:

13. März 2021 - geplante Premiere, Terminverschiebungen wg. Corona-Pandemie / 1. Mai 2021 - Premiere (Aufzeichnung)
21. Juni 2021 - Premiere vor Publikum
Spielzeit 2021.2022
Spielzeit 2022.2023:
17. (Wiederaufnahme) / 26. / 29. März 2023
7. April 2023
8. Mai 2023 - Internationale Maifestspiele (IMF)

Trailer | »Il trittico« | Puccinis »Triptychon«

Rezensionen:

Im Dreischritt zum Paradies - Aus der Eröffnungspremiere der Maifestspiele ist die erste Streaming-Oper am Staatstheater Wiesbaden geworden: Puccinis „Triptychon“ ist eine kurzweilige Produktion, die allen Widrigkeiten trotzt.
Puccinis „Triptychon“ als Dreischritt von der Hölle durchs Fegefeuer zum Paradies zu begreifen, liegt nahe. Der Komponist schätzte schließlich die „Göttliche Komödie“ hoch und plante lange Zeit, drei aufeinander abgestimmte Kurzopern mit Episoden aus Dantes „Inferno“, „Purgatorio“ und „Paradiso“ zu gestalten. Zwar entsprang letztlich nur „Gianni Schicchi“, das komödiantische Finale des als „Il trittico“ 1918 in New York uraufgeführten Dreierpacks, dem berühmten Versepos. Doch ist die Gegenüberstellung der verschiedenen Genres ganz klar: „Der Mantel“ („Il tabarro“) ist eine dunkle Eifersuchtstragödie, „Schwester Angelica“ („Suor Angelica“) ein sentimentales, mit dem christlichen Erlösungsgedanken endendes Melodram und die Geschichte um gierige Erben und ein Schlitzohr der heitere, wenn auch vom Gesellschaftsbild her nicht wirklich paradiesische Abschluss.
Der Wiesbadener Intendant Uwe Eric Laufenberg ist in seiner Inszenierung, die als Eröffnungspremiere der Internationalen Maifestspiele im Staatstheater Wiesbaden geplant war, am 1. Mai ohne Publikum aufgezeichnet, in Windeseile als Video geschnitten und nun zur Online-Premiere gebracht wurde, jedenfalls einen gut geebneten Weg gegangen. Er stattet ihn zudem mit dicken Hinweisschildern aus, indem zu Beginn jedes Einakters die Station der gedachten Heilsgeschichte per Einblendung und mit einem passenden Vers bezeichnet wird. Insgesamt hält sich Laufenberg so in seiner auf Sicherheitsabstände verzichtenden, also von der Personenführung her uneingeschränkten Inszenierung an das Vorgegebene – ohne besondere Zutat und ohne Bezüge zwischen den Stücken zu konstruieren.
Süffige Liebesduette
Das beginnt nach Verismo-Art im düster grauen Hafenarbeitermilieu etwa zur Entstehungszeit von „Il tabarro“. In zünftiger Proletariermontur (Kostüme Jessica Karge) entflammen dort am Verladeplatz (Bühne Gisbert Jäckel) die russische Sopranistin Olesya Golovneva als Giorgetta und der irische Tenor Aaron Cawley als Löscher Luigi in süffigen Liebesduetten, sodass jeder Opernkenner sofort weiß, dass der Bariton-Ehemann auf verlorenem Posten steht. Der Amerikaner Daniel Luis de Vincente macht den gehörnten und mordenden Michele gleichwohl zur facettenreichsten Figur.
Das schwieriger zu inszenierende Melodram um die unehelich Mutter gewordene und zur Buße ins Kloster gezwungene „Schwester Angelica“, in dem Golovneva in der Titelpartie wiederum große dramatische Kraft entfaltet. [...] Jedenfalls landet man nach dieser im doppelten Sinne wunderlichen Katharsis auf dem Boden der Realität in einem mondänen Haus in Florenz, wo die Kostüme Gegenwart signalisieren und Daniel Luis de Vincente einen cleveren Gianni Schicchi gibt. Die turbulenten Massenszenen mit der versammelten Verwandtschaft des reichen Erblassers, in dessen Rolle der listige Titelheld am Ende das Testament zu seinen eigenen Gunsten ändert, sind dabei handwerklich gekonnt umgesetzt. Den großen Hit des Abends, die Arie „O mio babbino caro“, lässt Golovneva als Lauretta außerdem perfekt schillern: Glaubhafter kann eine Erbschleicherin echtes Sentiment nicht vortäuschen, nur die kleinen Blicke zur Seite bringen das richtige Quäntchen Witz.
Das Orchester unterstützt alles in leicht verkleinerter Besetzung vom Graben aus unter der Leitung von Alexander Joel sehr treffend und variabel im Ton, mal lyrisch fein, mal mit dramatischer Wucht und im Ganzen – angesichts der lange eingeschränkten Probemöglichkeiten – erstaunlich sicher. In dem offenbar gut abgemischten und mithilfe von externen Kräften professionell hergestellten Video vermitteln sich die Klangverhältnisse zwischen Stimmen und Orchester richtig proportioniert. Insgesamt ist das eine kurzweilige Produktion, die jedenfalls allen Widrigkeiten trotzt. Dem Vernehmen nach will das Staatstheater Wiesbaden bald weitere Online-Produktionen folgen lassen.

Guido Holze, FAZ, 11.05.2021

Und dann das Glück - Giacomo Puccinis geniales Werk „Il trittico“ im Stream des Wiesbadener Staatstheaters.
Durch Giacomo Puccinis „Il trittico“ zieht sich eine überwältigende Gesamtdramaturgie. Sie wird sehr unzureichend beschrieben, wenn man die großen Gesellschafts- und Opernthemen Gewalt, Liebe, Kirche nennt und sagt, dass Mordswut, Demut und Frechheit Reaktionsvarianten auf die Zumutungen und Herausforderungen sind, denen Menschen ausgesetzt werden.
Der kurze Weg von der Tragödie zur Komödie ist hinlänglich bekannt. Hier findet das seinen hinreißenden Ausdruck unter anderem darin, dass der Mörder Michele in „Il tabarro“ und das Schlitzohr Schicchi in „Gianni Schicchi“ vom selben Sänger gesungen werden können. Daniel Luis de Vicente ist es in Wiesbaden, mit sehr gut sitzendem Bariton und einem Spiel, das in Michele die Sanftheit und in Schicchi die Gewalt ahnen lässt. Romina Boscolo, der unbarmherzigen Fürstin aus „Suor Angelica“ im „Schicchi“ als munterer Matriarchin wiederzubegegnen, ist eine Erleichterung. Selbst Angelica selbst lebt und beschert Olesya Golovneva nach Giorgetta im „Mantel“ noch einen dritten Auftritt als Lauretta im „Schicchi“. Es ist, als wäre die Zeit zurückgedreht worden in eine andere, glückliche Jugend und hin zu einem Happyend, denn der Tenor ist – nach dem Pechvogel Luigi, Aaron Cawley – nun der großartige Ioan Hotea. Ein rührender Moment, Golovneva im Glück zu sehen, auch wenn sie als Angelica – das melancholische Timbre in Stimme und Darstellung – am stärksten beeindruckt. Hoteas Stimme hat nicht nur erneut Flügel, er zeigt sich auch als genießerischer Komödiant.
Alexander Joel dirigiert das Orchester und die – natürlich unsichtbaren – Chöre in einer schlanken, jedenfalls nicht rauschhaften Lesart. Es passt zu der in Gisbert Jäkels Bildern und Jessica Karges Kostümen schön aussehenden, verhaltenen Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg.

Judith von Sternburg, FR, 10.05.2021

Streaming-Premiere - Packender Opernabend voller Überraschungen
Als erstes Theater in Hessen präsentierte das Hessisches Staatstheater Wiesbaden einen großen Opernabend in voller Besetzung. Um es vorwegzunehmen: es war ein außergewöhnliches Erlebnis!
Wunderbar spielfreudig agierte das sehr engagierte Ensemble, das mit ungemeiner Wandlungsfähigkeit begeisterte.
Diese spannende Premiere verblüffte mit vielen Überraschungen. Da ist zunächst einmal die gelungene Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg. [...] Selten war das Staatsorchester Wiesbaden derart ausgewogen und subtil zu vernehmen. Da klapperte kein Einsatz, alle Instrumentengruppen harmonierten trefflich miteinander. Die Einsätze, vor allem in den Bläsern gelangen mustergültig. [...] Dieser Abend ist eine der besten Opernproduktionen, die Wiesbaden bisher in der Verantwortung Laufenbergs zeigte! Auch die musikalische Einstudierung hat beste Vorarbeit geleistet, da die Sänger ihre Rollen wunderbar textbezogen gestalteten. Zu loben ist überdies die sehr gute Kameraführung und die feine Tonqualität der Übertragung. Diese Produktion ist in diesem Monat noch mehrmals als Stream auf der Internetseite des Hessischen Staatstheaters buchbar. Unbedingt empfehlenswert. BRAVO an das Hessisches Staatstheater!

Dirk Schauß, onlinemerker, 10.05.2021

Puccinis „Il Trittico“ in Wiesbaden: Mit veristischer Schärfe und praller Komödiantik
Uwe Eric Laufenberg hat die Figuren scharf und mit Genauigkeit gezeichnet. Mit veristischer Schärfe zeigt der deutsche Regisseur und Intendant des Hauses bei „Il tabarro“ das Elendsmilieu der Seine-Fischer in düsteren, naturalistischen Bildern eines Hafens mit einem angedeuteten Schiff samt Ladung und Kran. Bei „Suor Angelica“ führt er in einem spartanischen Raum mit nur minimalistischer Kulisse und schwarzen, verschiebbaren Seitenelementen gekonnt, ein besonders tristes Klostermilieu nur in Schwarz-Weiß Tönen mit einer unerbittlich strengen Äbtissin vor. Einzige Freude der Nonnen ist die Fontäne eines Brunnens und ein leibhaftiger Esel. Dramatisch dominiert der Auftritt der hartherzigen Fürstin, die Angelica letztlich unter den Tisch treibt und sich auf diesen hinaufsteigt. Unter die Haut geht der Selbstmord der Titelheldin. Bei „Gianni Schicchi“ reüssiert Laufenberg mit praller, grotesker Komik, ohne dabei allzu sehr in den Klamauk abzugleiten, in einem altertümlichen Salon samt Riesenbett und passenden Kostümen (Bühne: Gisbert Jäkel, Kostüme: Jessica Starge).
Sängerstar des Abends bei den Damen ist Olesya Golovneva. Mit fein schattierten Nuancen, betörenden Piani, leuchtender Höhe und intensiver, vielseitiger Rollengestaltung singt sie alle drei Sopranpartien: Bei der Giorgetta vermag sie ihre starken zerrissenen Gefühle zwischen den beiden Männern Michele und Luigi gekonnt darzustellen. Sie reüssiert aber auch als verängstigte Nonne Angelica wie auch als verliebte, junge Lauretta in „Gianni Schicchi“. Als solche singt sie den einzigen Hit des letzten Einakters „Il mio babbino caro“ herrlich gefühlvoll. Als unerbittliche Gegenspielerin in „Suor Angelica“ ist die eindringliche, furchterregende Romina Boscolo als Zia Principessa als Fürstin zu erleben. Wie ausgewechselt ist sie auch als Frugola und als dominante Zita zu bewundern.
Bei den Herren dominiert Daniel Luis de Vicente als wuchtiger Michele mit machtvoll, dunklem Bariton. Er singt den betrogenen Ehemann mit beeindruckender, dunkler Intensität. Besonders brutal bringt er seinen liegenden Nebenbuhler mit dem Knie um. Das lässt an die USA erinnern. Seine unglaubliche Wandlungsfähigkeit kann er dann als pfiffiger Gianni Schicchi mit ungemeiner Bühnenpräsenz, vom satten Bariton bis zum näselnden Falsett singend beweisen. Bei ihm sitzt jeder Ton und jede Geste. Herrlich komisch ist, wie im Bett mit einem Schal und einer Kappe des florentinischen Fußballclubs liegt. Ioan Hotea zeigt als Rinucccio einen schönen, lyrischen Tenor. Auch der Tenor von „Il tabarro“ Aaron Cawley gefällt als Luigi mit wunderbarer Höhe. Ebenso in den vielen kleineren Partien und beim Chor des Hauses (Chordirektor: Albert Horne) wird exzellent gesungen. In „Suor Angelica“ dürfen viele Chorsängerinnen kleinere Solopartien tadellos singend übernehmen.
Ein Klasse für sich ist Alexander Joel am Pult des Hessischen Staatsorchesters Wiesbaden: Er trifft genau den Puls- und Tonfall von Puccinis subtiler und farbiger Musik. Es ist purer Genuss, zu erleben, wie er die schattierungs- und stimmungsreichen Details ausgewogen und subtil modelliert, wie er aufregende Spannung und plappernde Vitalität erzeugt und die Sänger durch den Abend trägt.

Dr. Helmut Christian Mayer, opera-online, 14.05.2021

Männergewalt im Raum der Angst
Wiesbadens erste Online-Opernpremiere lässt in Puccinis „Il trittico“ starke Stimmen hören
Was ist man so einer Online-Opernpremiere und den Menschen, die vor den Kameras alles geben, schuldig? [...]
Bühnenpräsenz und vokale Glut von Olesya Golovneva, die auch in der Frankfurter Lieder-Produktion („Nur wer die Sehnsucht kennt“) engagiert ist, zwingen zur aufrechten Haltung an der Sofakante: Spannung pur. Die Sopranistin ist an diesem Abend nicht nur in der vokalen Dreifaltigkeit als Giorgetta, Angelica und Lauretta (na klar, mit dem berückenden Hit „O mio babbino caro“) ein Erlebnis, sondern auch eine Schauspielerin, deren Ausdruckskraft die Nähe der Kamera (Video: Andreas J. Etter) nicht scheuen muss. Die Personenführung des Regisseurs Laufenberg wird freilich auch ihren Anteil an der Intensität haben, die sich im Gegenüber mit der patriarchalen Gewalt des packenden Baritons Daniel Luis de Vicente als ihrem eifersüchtigen Gatten Michele und dem nicht minder brutalen Geliebten Luigi zeigt. Aaron Cawley, bei dem ein klassisches Anker-Tatoo den Testosteronüberschuss des Hafenarbeiters signalisiert, bestätigt seine Gewaltfantasie mit beeindruckend ausgreifendem Tenor. Nachdem er seine Geliebte Giorgetta wie eine in Panik erstarrte Puppe angehoben hatte, lässt er sie sichtlich traumatisiert zurück. [...]
Als Schwester Angelica wird Olesya Golovneva im mittleren Teil des 1918 an der New Yorker „Met“ uraufgeführten Triptychons sogleich erneut ins Mutter-Unglück gestürzt. Diesmal ist sie nicht männlicher Gewalt, sondern weiblicher Härte im Nonnenkloster ausgesetzt. Fleuranne Brockway waltet hier als „Schwester Eiferin“ und Protagonistin des wunschlosen Klosterunglücks ihres strengen Amtes, während sich Romina Boscolo als Fürstin, Angelicas Tante, in die expressive Pose moralischer Überlegenheit wirft. [...]
Inszenatorisch geht es im komödiantisch-turbulenten Finale um den listigen Gianni Schicchi deutlich aufwärts. Daniel Luis de Vicente legt sich mit dieser Partie ins großbürgerliche Bett des gerade verblichenen Buoso Donati. Dessen kirchenfreundliches Testament soll vor dem Notar in die weltliche Richtung umgelenkt werden. Mit den Filetstücken aus dem Erbe bedenkt er dann aber nicht die scheinheilige Familienbande, sondern sich selbst. Hinter dem Bett feiern seine Tochter Lauretta (Olesya Golovneva) und Rinuccio (Ioan Hotea) ein junges Glück, von dessen vokalen Qualitäten das Publikum profitiert.
Vor und nach „Gianni Schicchi“ gähnt die immer wieder eingeblendete Leere des Zuschauerraums besonders vorwurfsvoll in die Kamera. Schließlich wendet sich der gewitzte Gianni am Ende in der Erwartung mildernder Umstände direkt an das Publikum. Dieses sitzt zuhause auf dem Sofa – und harrt dort gerne und vollzählig (!) bis zum Ende aus. Nur das Applaudieren hat es vergessen.

Volker Milch, Wiesbadener Kurier, 11.05.2021

Puccinis drei Einakter "Il trittico" im Staatstheater Wiesbaden
Sie war als große Opern-Eröffnung der diesjährigen WiesbadenerMaifestspiele geplant: Puccinis Triptychon-Premiere "Il trittico". Die fielen dann dem Lockdown zum Opfer. Puccinis drei Einakter "Il tabarro", "Sour Angelia" und "Gianni Schicchi" liefen in Folge erstmal als kostenloser Stream im Netz.
Live kam nun bei der Premiere im Großen Haus eine besonders animalische Stimmung auf. Da war diese Sache mit dem Esel: Ein Exemplar der als besonders störrisch geltenden Tiere hatte der regieführende Intendant Uwe Eric Laufenberg im Klosterteil librettogetreu leibhaftig auf die Bühne gebeten. Der Esel genoss seine erfrischende Rolle so sehr, dass es nur unter erschwertem Muskeleinsatz aller Puccini- Nonnen wieder aus der Szene zu hieven war. Da war klar: Die ausgelassene Stimmung beim anschließenden Applaus samt Heiterkeitssalven kann kein noch so effektvoller Opernfilm toppen. Verschwenderisch große Stimmen bis in kleinste Rollen hinein bot Laufenberg für seinen konventionellen Opernabend auf: In Mehrfachbesetzung veredelte vor allem Sopranistin Olesya Golovneva die Premiere. Anfangs, um als unglücklich untreue Giorgetta der Männerwelt den Kopf zu verdrehen, später, um als selbstmörderische "Sour Angelica" mit Mutterliebe zu Tränen zu rühren. Wundersam losgelöst schließlich ihr traumschönes "Mio babbino caro", mit der sie im finalen Erbschleichertrubel "Gianni Schicchi" um Rinuccios Liebe fleht. Einen gewaltigen Bariton offenbarte Daniel Luis de Vicente. [...]
Romina Boscolo überzeugte auf ganzer Linie: Als leidgeprüfte Frugola, als kalte Fürstin beim Klosterbesuch und am Ende in der Rolle der raffiniert raffgierigen Zita. Schwungvoll und süffig agierte Alexander Joel im Orchestergraben.

Bettina Boyens, FNP, 24.06.2021
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