Theodor Fontane, Dramatisierung: Anne-Sylvie König und Uwe Eric Laufenberg

FRAU JENNY TREIBEL

14.01.2005
Hans Otto Theater Potsdam
Inszenierung:
Uwe Eric Laufenberg
Bühne:
Regine Freise
Kostüme:
Jessica Karge
Mit:
Katharina Thalbach, Adina Vetter, Jennipher Antoni, Anne Lebinski, Rahel Ohm, Gisela Leipert, Nadine Schori, Roland Kuchenbuch, Christian Deichstätter, Kai Ditrich, Helmut G. Fritzsch, Moritz Führmann, Andreas Herrmann, Christian Klischat , Philipp Mauritz, Peter Pauli, Hans- Jochen Röhrig, Joachim Schönitz, Henrik Schubert, Johannes Suhm
Rezensionen:

Fontanes Roman mit seinen vielen Dialogen ist bester Fond für eine Theater-Komödie. Und der animierte Betrachter, bei Kaminfeuer und Kerzenschein, staunt schon mal, wie Laufenbergs Fahrplan, der die Akteure spielend zwischen den Zimmern und Sälen wechseln lässt, präziser funktioniert als bei der Deutschen Bahn. Katharina Thalbach, auf den ersten Blick kaum zu erkennen, präsentiert sich als erstklassig frisierte Madame mit bemerkenswert hochdressiertem Busen. Sie beherrscht den satirisch sentimentalen Blick, den schönen Hang ins Schwärmerische, um schließlich als familiäre Lenkerin auch Drachentöne hören zu lassen. In puncto Spieldisziplin ordnet sich die Thalbach angenehm ins große, durchweg komödiantisch animierte Ensemble.

Berliner Morgenpost, 15.01.2005

Die Zuschauer begeben sich im zweiten Akt an die verschiedenen Spielorte. Man spielt simultan: im Festsaal, im Musiksalon und im Gartensaal. Im einen Raum macht sich Corinna an Leopold heran, in dem anderen erinnern sich Jenny und Prof. Schmidt ihrer einstigen Liebe und im Festsaal steigt der alte Treibel dem Dienstmädchen "auf die Pelle". Im gesamten Hochparterre gibt es Bewegung. Aus den Nachbarräumen hört man Stimmengewirr, Klaviermusik und singende Damen, auch der Kakadu im Gartensalon lässt sich hin und wieder mal vernehmen, an Türen wird gelauscht, man trifft sich hier und da, auch unfreiwillig, klatscht über diesen und jenen und heckt Lebenspläne für den anderen aus. Es ist wohl selten der Fall, dass die Zuschauer so dicht am Geschehen dran sind, dass die Schauspieler inmitten des Publikums agieren wie im Palais Lichtenau. Dass die Auftritte von einem Spielort zum anderen, vor allem im zweiten Akt, so minutiös klappen, ist eine Meisterleistung für sich. Uwe Eric Laufenberg hat es verstanden, ein wunderbares Theaterfest voller Charme und Leichtigkeit zu inszenieren. Die Geschichte erzählt er stets ironisch-intelligent, doch immer mit einem distanzierten Pfiff. Jenny Treibel wird nicht als kaltherzige Dame denunziert, die nur Geld und das Höhere im Sinn hat, sie weiß, wie man den anderen um den Finger wickeln kann und wie man selbst ganz weich wird, beispielsweise, wenn sie mit Prof. Schmidt in Liebeserinnerungen schwelgt. Katharina Thalbach ist eine famose Jenny. Sie ist herrlich in Sprache und Ausdruck. Souverän gibt sie die "Frau von Welt". Ihr zur Seite Roland Kuchenbuch als keinesfalls trotteliger Ehemann, sondern als einer, der sich schon mal durchzusetzen versucht, bestens auch Johannes Suhm als verkrampfter Sohn Leopold, Adina Vetter als charmant-süßliche Corinna. Das gesamte Ensemble, geschmackvoll kostümiert von Jessica Karge, ist mit Feuereifer und mit Spaß bei der Sache. Gratulation.

Potsdamer Neueste Nachrichten, 17.01.2005

Intelligenter kann man das Stück nicht einrichten (Anne-Sylvie König), genauer lässt es sich nicht inszenieren (Uwe Eric Laufenberg). Im dritten Akt gibt es noch eine Steigerung: Im Speisesaal werden nämlich zwei Kaminfeuer entfacht. Ein unvergesslicher Abend. Das Theater, das man sonst nur von der Bühne kennt, wurde im Palais Lichtenau zum 3D-Erlebnis mit Eventcharakter.

Märkische Allgemeine Zeitung, 15.01.2005

Anne-Sylvie König hat den Text blitzgescheit dramatisiert, konzentriert die verschiedenen Gruppierungen auf eine Abendgesellschaft im Hause der "Frau Jenny Treibel". Das bleibt nah an Fontane, vermeidet Betulichkeit, überrascht mit aktuellem O-Ton wie "Gefühlsgeiselnahme". Laufenberg beweist mit Geschick und Phantasie und einem vorzüglichen Ensemble mit Katharina Thalbach an der Spitze die kluge Unterhaltsamkeit der Fassung. Laufenberg gelingt ein Spektrum von Charakteren liebenswürdiger Menschlichkeit mit und kleinen und großen Schwächen. Die von Idealen redende, aber gut geerdet letztlich doch auf finanziellen Komfort erpichte Jenny Treibel greift durch: wird handfest ordinär und herrisch mütterlich, verbietet die Verbindung mit ihrem jugendlichen Abbild Corinna, verordnet und verkündet dann doch lieber die Verlobung mit der hochgestochenen Hamburgerin. Katharina Thalbach ist hemdsärmelig und herzlich, mit blitzend schalkhafter Koketterie, mit Augenzwinkern die Mitte dieses vergnüglichen, bejubelten Abends, den Berlin derzeit nicht zu bieten hat.

Bonner Generalanzeiger, Nürnberger Nachrichten, , 15.01.2005

Bestimmte Szenen werden simultan gegeben und von den Akteuren für die jeweils wechselnden Zuschauer wiederholt, so dass jeder alles sieht, aber nicht in der gleichen Reihenfolge. Das ist von der Regie logistisch virtuos, wie mit Filmschnitten arrangiert. Geschickt eingeflochten werden in König-Laufenbergs Fassung dazu Andeutungen eines frühen Ost-West-Konflikts: zwischen neureichem Köpenick und altblasiertem Charlottenburg. Diesen Fontaneschen Witz servieren die Potsdamer Spieler wunderbar trocken, wie die Diener den Wein - wobei das Personal auch die spöttischen epischen Kommentare spricht, während derer die Hauptdarsteller dann zu lebenden Bildern erstarren. 20 Akteure, und nicht nur Katharina Thalbachs busenbebend hochgeschnürte Frau Jenny, treffen im Wechsel mit sanft elegischen Untertönen, altmädchenhaftem Schalk und derber, dragonerhafter Biestigkeit den Fontaneschen Ton. Allen anderen voran sind auch Roland Kuchenbuch als Treibel, Adina Vetter als aufbegehrende Corinna, Anne Lebinsky als Treibelsche Schwiegertochter oder der souverän amüsante Chefdiener Jochen Röhrigs zu rühmen.

Der Tagesspiegel, 20.01.2005

Im dritten Akt spielt - wieder für alle gleichzeitig sichtbar - Johannes Suhm als armer Leopold, mit seiner schlechten Körperhaltung, den tiefen, dunklen Augenringen und dem ihn umwehenden Pferdegeruch die eigentliche Hauptrolle großartig und voll aus. Er kämpft und windet sich und kann doch nicht aus seiner Treibelschen Haut. Das Schöne ist, dass die Schauspieler in den Pausen nie die Fassung verlieren. Sie gehen nach nebenan und genehmigen sich einen Drink, bevor sie zurückkommen, ohne ihre Rolle zu verlassen. Und die Zuschauer haben am Ende das angenehme Gefühl, einen schönen Abend verbracht und dabei selbst eine Nebenrolle gespielt zu haben.

Frankfurter Allgemeine Sonntags-Zeitung, 16.01.2005
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