Eugene O `Neil

EINES LANGEN TAGES REISE IN DIE NACHT

28.01.2006
Hans Otto Theater, Zimmerstrasse
Inszenierung:
Uwe Eric Laufenberg
Bühne:
Gisbert Jäkel
Kostüme:
Jessica Karge
Mit:
Angelika Domröse, Roland Kuchenbuch, Kai Dietrich/Carsten Kochan, Johannes Suhm/Tobias Rott
Rezensionen:

Weil Intendant/Regisseur Uwe Eric Laufenberg das Stück verzweifelt ernst nimmt, die ganze Geschichte erzählen will, nicht nur die publikumsfreundliche Oberfläche - auch auf die Gefahr hin, zu nerven. Nebenbei will er natürlich auch einen Star präsentieren: Angelica Domröse als Mary Tyrone. Die behauptet als Mary, sie habe sich im Theater nie wohl gefühlt, als Domröse fühlt sie sich sichtlich wohl und hochmotiviert. Sie erfüllt die Rolle der „Morphelia“ in allen ih-ren Nuancen, von der Geste arroganter Abwehr bis zur kreatürlichen Verzweiflung. Sicher wechselt sie zwischen Hin- und Weg-Sehen, zwischen Klarsicht und Wahnsinn. Der Regisseur erspart nicht ihr (und nicht dem Publikum) die Wahrnehmung erinnernder Halluzinationen, nicht das Kinderbett (mit dem ihre Krankheit begann), nicht den durch die Verandatür wabernden Nebel und das schlafstörende Nebelhorn.
Das war eine reife Leistung innerhalb eines Ensembles mit Roland Kuchenbuch an der Spitze. Das Ensemble wuchs an der Aufgabe.

Berliner Zeitung , 04.02.2006

Uwe Eric Laufenberg, der erfolgreiche Intendant des Potsdamer Hans Otto Theaters, verlegt die Geschichte der Tyrones nicht ins abstrakte Ungefähr. Sie spielt im familiären Gefängnis, dem Sommerhaus des ehemaligen Rampentigers James Tyrone, der zum geizenden Immobilien-Besitzer wurde. Man hört das Meer, Wind, Autos und das quälende Nebelhorn. Nebel dringt durch die geöffnete Tür zum Garten. der Suche nach immer neuen sprechenden und interessan-ten Spielorten entdeckt Laufenberg, bevor er das neue Haus eröffnen wird, noch einmal die Adresse in der Zimmerstraße 10. Hier, in der ehemaligen Tanzgaststätte "Zum Alten Fritz", war von 1949 bis 1991 die Hauptspielstätte des Theaters.
Hier erleben wir die Tragödie einer Familie und ihrer einzelnen Personen, den Kampf, den sie mit sich selbst und miteinander austragen. Sie selbst weiß es, und alle anderen auch: Mary Tyrone wird wieder in das Vergessen des Morphiums sinken. Der Verdacht, der sich auf die Frau richtet, beschleunigt den Fall in die Katastrophe. Es ist ein Drama der Verdrängung. In Strömen von Whisky und Shakespeare-Zitaten haben sie alle immer wieder das falsche und verletzende Wort am richtigen Platz.
Roland Kuchenbuch ist der zwischen Zorn und Zuwendung schwankende Vater, anrührend durchlebt er die Erinnerung an die von Armut geprägte Kindheit. Kay Dietrich spielt den älteren, gescheiterten Sohn, der sich in den familiären Liebesbeweisen zurückgesetzt sah und dem Suff verfiel. Johannes Suhm zeichnet eindrucksvoll den jüngeren. In seiner von den anderen so lange beiseite geschobenen Schwindsucht ist der Junge weniger todesverliebt als -bewußt, stark in seiner verzweifelten Auflehnung gegen den Vater wie in Gesten der Zärtlichkeit zur Mutter.
Die Reise in die Nacht wird lang, mitunter auch anstrengend. Dennoch hat das Menschendrama eine starke Wirkung.

Berliner Morgenpost, 03.02.2006

In Potsdam hat Gisbert Jäkel einen riesigen, gleichzeitig prächtig wie kalten Raum gebaut. Das Gitter, das den Flur von dem weiten, schräg abfallenden Wohnzimmer mit seinem runden Tisch trennt, zeigt die Bühne als bewohntes Gefängnis. Wie Verlorene agieren die Darsteller, ihre Figuren sind sich fremd geworden.
Detailgenau erzählt Regisseur Uwe Eric Laufenberg die Verfallsgeschichte der Familie Tyrone, entlarvt die Lebenslüge des American Dream, der Geldgesellschaft. Ob die bestechend spielende Angelica Domröse oder Roland Kuchenbuch als heruntergekommener, Zigarren rauchender James Tyrone – in Potsdam präsentiert sich ein brillantes Ensemble, das dem Zuschauer den Atem stocken lässt. Nuanciert, mal still, dann laut brutal, wenn die Söhne betrunken in Streit geraten, zeigt die differenzierte Inszenierung eine Welt von Beschädigten, legt aber auch die Wünsche und verdrängten Sehnsüchte der Figuren frei. Ein Kinderbett rollt plötzlich in die Szene, untermalt von unheimlicher, dröhnender Musik, Sinnbild der Albträume Marys.
Nebel dringt in den Raum, und schließlich betritt die morphiumsüchtige Mary wie ein irres Gespenst die Szene. In dieser dreieinhalbstündigen Reise in die Nacht gesellschaftlicher und menschlicher Abgründe triumphiert das Theater. Großartig!

Zitty, 16.02.2006
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