Wolfgang Amadeus Mozart

DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL

26.11.2010
Oper Köln, Palladium
Musikalische Leitung:
Konrad Junghänel
Inszenierung:
Uwe Eric Laufenberg
Bühne:
Matthias Schaller
Kostüme:
Antje Sternberg
Mit:
Ishan Othmann, Olesya Golovneva, Brad Cooper, Anna Palimina, John Heuzenroeder, Wolf Matthias Friedrich
Chor:
Chor der Oper Köln
Orchester:
Gürzenich-Orchester

Die Entführung aus dem Serail

Rezensionen:

Nun, in Uwe Eric Laufenbergs neuer Inszenierung von Mozarts Oper im Mülheimer Palladium wird zwar nicht Türkisch, aber - zumindest teilweise - Kurdisch gesprochen und gesungen. Der von dem irakischen Schauspieler Ihsan Othmann dargestellte Bassa Selim spricht und versteht - von Ausnahmen abgesehen - sogar gar kein Deutsch; wenn Belmonte ihn anredet, muss Osmin übersetzen. Die sprachliche Verständigung ist in Mozarts deutschem Singspiel von Haus aus kein Problem - hier wird sie zu einem, kommt zu all den anderen Problemen hinzu.
Diese dünken uns bekannt, schließlich liegt das Palladium nur wenige hundert Meter von der im Volksmund auch als Klein-Istanbul bezeichneten Keupstraße entfernt. Sie steht symbolisch für die Ambivalenzen gelingender und scheiternder Integration, für all die Chancen und Risiken, die sich aus dem Zusammenprall von westlicher Spätmoderne und einer traditionalistischen Kultur - eben der vieler Einwanderer - ergeben. Der Zusammenprall ist auch das Thema von Laufenbergs Inszenierung, und der Intendant der Kölner Oper muss an Stephanie / Mozart gar nicht so viel herumbiegen, damit es „passt“.

Kölner Stadtanzeiger, 29.11.2010

Bassa Selim scheint einen florierenden Handel zu betreiben, seine Lagerhalle (Bühne: Matthias Schaller) ist gut gefüllt. In dieser Inszenierung ist er ein Kurde, der von dem kurdischen Schauspieler Ihsan Othmann gespielt wird. Für ihn wurde die einzige Sprechrolle in Mozarts Stück in seine Muttersprache übersetzt - man versteht kein einziges Wort. Was aber auch nicht weiter schlimm ist, denn sein Oberaufseher Osmin übersetzt bei Bedarf. Laufenberg hat die ganze Geschichte von der Entführung Konstanzes und ihrer Begleiter Blonde und Pedrillo klug in dieses Milieu übertragen, nutzt es, um seinen Beitrag zur aktuellen Integrationsdebatte zu leisten, ohne den Unterhaltungswert des Mozartschen Singspiels aufzugeben.Dessen Humor funktioniert genauso, als würde man den Serail tatsächlich im Bilderbuch-Orient verorten. Auch hier weiß sich Blonde den plumpen Avancen Osmins mit Witz zu erwehren, auch hier wirken die säbelrasselnden Drohungen Osmins nicht zuletzt dank der Musik Mozarts fast schon bemitleidenswert putzig. ...Für die Versöhnung der Kulturen tritt in Laufenbergs Inszenierung Konstanzes Geliebter und Retter Belmonte ein, der sich als Baumeister in Bassa Selims Reich einschleicht. Er zeigt dem Herrscher eine Reihe von Plänen, Moscheen, Kirchen, und - als Sinnbild kapitalistisch säkularisierter Kirchtürme - die Petronas Towers, um ihm zugleich zu versichern, dass es die Liebe sei, die die ganze Welt vereine. Doch Laufenberg bringt es dann doch nicht über sich, diese schlichte Botschaft so stehen zu lassen. Am Ende, nachdem Bassa Selim Belmonte als Sohn seines ärgsten Feindes erkannt und ihn trotzdem, auf Rache verzichtend, mit den anderen Gefangenen in die Freiheit entlassen hat, öffnet sich im Bühnenhintergrund ein Tor, das den Blick auf den Mülheimer Hinterhof freigibt.Die edle Tat des Bassa Selim ruft Feinde auf den Plan: Im Schlussbild hält eine Kämpferin ihm eine Maschinenpistole an den Kopf. Musikalisch ist die Kölner "Entführung" durchweg gelungen. Das Gürzenich Orchester spielt unter der Leitung des Alte-Musik-Spezialisten Konrad Junghänel ganz hinreißend, zeigt in den exotischen Janitscharenklängen Biss, gibt den Sängern Raum, sich zu entfalten, etwa in Konstanzes Martern-Arie, die von der Russin Olesya Golovneva mit wunderschönem, seelenvollem Sopran gesungen wird. Brad Cooper überzeugt nach kleineren anfänglichen Unsicherheiten als Belmonte mit schön geführter lyrischer Stimme. Anna Palimina gibt eine großartige Vorstellung als Blonde, die nur von einigen ins Schrille tendierenden Spitzentönen eingetrübt wird.John Heuzenroeder als Pedrillo ist ein Genuss, und Wolf Matthias Friedrich stattet den Osmin mit bedrohlich anmutender Bassfülle aus. Der von Andrew Ollivant einstudierte Chor macht eine sehr gute Figur. Das Publikum nahm die Premiere am neuen Spielort mit einhelligem Applaus auf.

Kölnische Rundschau, Bonner Generalanzeiger, 28.10.2010

Laufenbergs Aktualisierung funktioniert überraschend gut, wirkt schlüssig und nicht aufgesetzt. Flott und streckenweise klamaukig rollt das Geschehen ab, Laufenberg fordert den Sängern einiges an Beweglichkeit ab und animiert sie zu ansteckender Spielfreude. Ein unterhaltsamer Abend.

Kultiversum, 13.12.2010
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