Thomas Mann in der Bühnenfassung von John von Düffel

Buddenbrooks

14.06.2015
Inszenierung:
Uwe Eric Laufenberg
Bühne:
Susanne Füller
Kostüme:
Susanne Füller
Mit:
Judith Bohle, Stefan Graf, Jessica Früh, Janning Kahnert, Uwe Kraus, Carlos Praetorius, Bernd Ripken, Janina Schauer, Helga Schoon, Nathan Hempelmann / Aron Nenzel, Vincent Hempelmann / Jonah Stoss, Anne Nenzel / Mara Weil
Termine:

Spielzeit 2014.2015
Spielzeit 2015.2016
Termine und aktuelle Besetzung unter www.staatstheater-wiesbaden.de

Rezensionen:

Zuerst ein starkes Bild: Die Familie zum Foto aufgestellt, das unsichere Lächeln von Bernd Ripken kommt einem entgegen, ein Lächeln, das von einem Zähneblecken kaum zu unterscheiden ist. Schon ist es wieder dunkel.
Janina Schauer ist die Tochter des Hauses, die vor allem nachher brillant mit einem Wimpernzucken den Wechsel vom sympathischen Mädchen zur sentimentalischen Geschiedenen vollzieht. Janning Kahnert ist Thomas, so jung und doch so alt und zunehmend maskenhaft. So sehr er sich abmüht, hat er vom Vater die Verlegenheit geerbt. Judith Bohle als seine Frau Gerda bleibt eine Fremde, auch dies naturgetreu. Stefan Graf ist Christian, der abdriften wird, woraus Graf eine grandiose Nummer macht. Ein schönes Wiedersehen gibt es mit Helga Schoon als Lina, auch sie Wiesbadener Altabonnenten bestens vertraut.
Der Abend bleibt auch sehr lang.
Aber gefesselt ist man doch vom Purismus, dass einfach Menschen kommen, gehen, sitzen und reden; von der Buddenbrook-Tragödie; von der Entscheidung, nur davon und nichts darüber hinaus zu erzählen.

Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau, 15.06.2015

Gefeiert – weil über die ganze lange, vierstündige Laufzeit des Schauspiels kein einziger Moment von Langeweile aufkam. Die inszenatorische Struktur – auch in ihrer Choreografie der Figurenpositionen – steht immer offen und klar vor Augen; Bühne und Kostüme (Susanne Füller) sind in ihrer Noblesse und zeitlich differenzierten Stimmigkeit ein wahrer Augenschmaus; das Ensemble agiert auf der Höhe seines Könnens. Bernd Ripken kann als Oberhaupt der Familie am Ende des Tisches sogar mit dem Rücken sprechen. Seine Frau, die Konsulin, sitzt am Kopf, wo sie mit Jessica Früh – statuarisch schön – im ferneren Verlauf erstarrt verharrt.

Charaktere der Kinder

Die Charaktere der Kinder offenbaren sich früh: Tunichtgut Christian (Stefan Graf) bohrt in der Nase, ein erzwungen ehrgeiziger Thomas (Janning Kahnert) leistet Büroarbeit und Schwester Tony (Janina Schauer) guckt in die Luft und lächelt erwartungsfroh. Das Leben wird die Figuren enttäuschen – die Darsteller/in ihr Publikum nie. Janina Schauers Lächeln wird ihrem Verehrer Grünlich gegenüber zur sauren Miene, der mit Uwe Kraus’ goldgelbem Backenbart ganz ungemein putzt als geckenhaft schleimiger Mitgiftjäger. Schöne Idee, dass Uwe Kraus auch Tonys zweiten Mann, den Bayer Permaneder, spielt – nicht nur idiomatisch auch hier eine glänzende Besetzung.

Viola Bolduan, Wiesbadener Kurier, 16.06.2015

Wenn nach fast viereinhalb Stunden das Bühnenlicht im Kleinen Haus des Staatstheaters Wiesbaden langsam erlischt und der Jubel des Publikums über Darsteller und Regie hereinbricht, gilt der Beifall auch dem eigenen Sitzfleisch und der quantitativen Meisterleistung, einen solchen Cinemascope-Theaterabend schlüssig und ohne Langeweile auf die Bühne zu wuchten. Und tatsächlich gelingt es Uwe Eric Laufenbergs Inszenierung der "Buddenbrooks" in der Bühnenbearbeitung John von Düffels, das im Erstdruck mehr als 1000 Seiten starke Werk lebendig nachzuerzählen und dabei mehr zu liefern als ein Potpourri der Romanhöhepunkte.

Auf der Habenseite des Projekts stehen auch die hervorragenden Schauspieler, denen es gelingt, ihre Charaktere über die etwa 30 Jahre, auf die John von Düffel den Gang durch die im Roman sehr viel weiter ausgreifende Handlung fokussiert hat, mit großer Wandlungsfähigkeit zu verkörpern, ohne dabei allzu viel Unterstützung von Bärten und Perücken zu benötigen.

Die Konzentration auf die Brüder Thomas (Janning Kahnert) und Christian (Stefan Graf) sowie ihre Schwester Tony Buddenbrook (Janina Schauer) macht aus dem Theaterstück noch sehr viel stärker als der Roman ein Familiendrama, in dem vor allem im ersten Teil auch der Vater Konsul Jean Buddenbrook (Bernd Ripken) und seine Frau Betty (Jessica Früh) eine große, nicht immer rühmliche Rolle spielen.

Matthias Bischoff, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.06.2015

Aufführungsdauer mehr als vier Stunden. Doch fühlt sich der Abend so lang gar nicht an. Was als gutes Zeichen gelten darf; desgleichen, dass das Premierenpublikum bis zum Ende aufmerksam folgt und schließlich zehn Minuten enthusiastischen Beifall dranhängt. Niemand stört sich an der spartanischen Einheitsbühne aus Esstisch und beigestelltem Sekretär in einem ansonsten leeren Salon (Ausstattung: Susanne Füller).

Regisseur Laufenberg vertraut auf die überzeitliche Bedeutsamkeit der Geschichte, auf die nuancierte Darstellung der Charaktere. Er baut nicht zuletzt auf den Sog, den Manns kristallklare Sprache entwickelt. Die wird vom elfköpfigen Ensemble sorgsam gepflegt, bekommt Luft, Raum, Zeit, Ruhe zur Entfaltung.

Zu den Bravourstücken des Abends gehört, wie Janina Schauer ihre Tony wandelt vom lebenslustigen, eigensinnigen Mädchen zur erst statussüchtigen Gattin, dann überspannt frustrierten Geschiedenen. Ähnlich hochkarätig fallen die so unterschiedlichen Brüder aus. Hier Thomas, Nachfolger des Konsuls an der Firmen- und Familienspitze: bei Janning Kahnert ein in stoischer Verbissenheit auf Arbeitsdisziplin und Kapitalertrag als Lebenssinn fixierter Mann. Dort Christian, dessen Untüchtigkeit, Gefühligkeit, Hypochondrie Stefan Graf als hinreißend tragikomische Melange des Allzumenschlichen gibt.

Andreas Precht, Rheinzeitung, 17.06.2015

Laufenberg kitzelt die Komödie aus dem Stoff heraus. Das Einheitsbild überzeugt. Das herrschaftliche Esszimmer der Buddenbrooks mit riesigem Tisch funktioniert als realer und imaginärer Raum.
Tolle Schauspieler: Jessica Früh als stoische Konsulin ist permanent auf der Bühne, bis sie zum Sterben abgeht. Ihre Söhne könnten unterschiedlicher nicht sein: Janning Kahnert als korrekter Thomas, Stefan Graf als Hallodri Christian. Janina Schauer entzückt als widerborstige Tony. Uwe Kraus spielt famos ihre Gatten – den gräulichen Grünlich und das bayrische Urgestein. Wertung: Sehr gut

Dr. Josef Becker, BILD, 16.06.2015
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