Richard Srauss / Hugo von Hoffmannsthal

Arabella

11.03.2018
Musikalische Leitung:
Patrick Lange
Inszenierung:
Uwe Eric Laufenberg
Bühne:
Gisbert Jäkel
Kostüme:
Antje Sternberg
Mit:
Graf Waldner | Wolf Matthias Friedrich * Adelaide | Romina Boscolo * Arabella | Sabina Cvilak (IMF: Maria Bengtsson) * Zdenka | Katharina Konradi * Mandryka | Ryan McKinny * Matteo | Thomas Blondelle * Graf Elemer | Aaron Cawley * Graf Dominik | Benjamin Russell * Graf Lamoral | Alexander Knight * Fiakermilli | Gloria Rehm * Kartenaufschlägerin | Maria Rebekka Stöhr * u.a.
Chor:
Chor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
Orchester:
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden
Termine:

11. März 2018 - Premiere
14. / 17. / 23. / 29. März 2018
1. / 18. April 2018
22. Mai 2018 - Internationale Maifestspiele (IMF)

»Arabella«

Rezensionen:

Das alte Wien im braunen Dresden

OPER Uwe Eric Laufenberg erinnert bei seiner Wiesbadener „Arabella“ an die politische Lage der Uraufführung

WIESBADEN - Das muss man sich mal vorstellen. Da ist der junge Offizier Matteo verliebt in die schöne Arabella. Er hat keine Chance, also verlegt er sich auf Erpressung, droht bei Arabellas Bruder Zdenko mit Selbstmord, und der Tenor Thomas Blondelle legt so heftigen Schmerz und Schmelz in die Stimme, dass man seiner Verzweiflung glaubt. Das tut auch der Bruder, der aber eine verkleidete Schwester ist, die Matteo in Arabellas Zimmer lotst, sich aber selber ins Bett legt und den ahnungslosen Verliebten glücklich macht.

So weit kann das Helfersyndrom gehen, und auch die Fantasie eines Opernlibrettisten wie Hugo von Hofmannsthal, wenn er für die schlichte Geschichte von „Arabella“ einen Konflikt konstruiert. Die Titelheldin ist unsterblich in den Grafen Mandryka verliebt, der jetzt glaubt, Grund zur Eifersucht zu haben. Ryan McKinny spielt ihn in der Wiesbadener Neuinszenierung nicht als ungehobelten Rumpelmacho aus dem exotischen Slawonien, sondern als eleganten Träumer, dem man den wilden Ruf nach scharf geschliffenen Säbeln nicht recht abnehmen mag. Auch seinen bassgetönten Bariton setzt er sehr zurückhaltend ein. Im Gesangsvergleich der Schwestern liegt die jüngere um eine Nasenspitze vorn: Katharina Konradi bringt als Zdenka einen warmtönigen lyrischen Sopran ein, während Sabina Cvilak ihre Arabella mit einer kultiviert geführten, aber im Volumen noch entwicklungsfähigen Stimme ausstattet.

Als Darstellerinnen spielen sie sich locker die Bälle zu, wie überhaupt die Inszenierung des Intendanten Uwe Eric Laufenberg die Geschichte sorgfältig auf die Bühne bringt und die Typen trifft. Das Elternpaar, das die Tochter wegen der Spielschulden des Vaters meistbietend verkauft, ist mit satirischem Witz getroffen. Wolf Matthias Friedrich karikiert in breiten Gesangslinien die pomadige Sprechweise, wenn dieser Spieler-Graf vornehm tun will, Romina Boscolo kombiniert die mütterliche Wichtigtuerei mit einer etwas unausgeglichenen Altstimme. Zur milden ironischen Distanz, die man aus dieser Personenregie herauslesen kann, passt der Goldrahmen, den Gisbert Jäkel vor die Bühne gesetzt hat und der schief hängt, als Arabella noch fürchtet, sich in die Ehe mit dem Grafen Elemer (Aaron Cawley mit schneidigen Auftritten) begeben zu müssen.

Antje Sternbergs ansehnliche Kostüme führen in die Entstehungszeit der Oper, und für den Ball, auf dem Gloria Rehm als Fiaker-Milli mit sauberen Koloraturen gefällt, hat Jäkel einen Foyersaal der 1930er Jahre gebaut, in dem die Tische mit Naziwimpeln dekoriert sind. Auch im Video zur Einleitung des dritten Aktes sieht man nicht nur, was Zdenka und Matteo über und unter der Bettdecke tun, sondern auch Bilder der hakenkreuzgeschmückten Semperoper. Dort präsentierte Richard Strauss seine träumerischen Geschichten aus dem alten Wien, während die neue Diktatur sich breitmachte, und der Komponist strich stillschweigend die Widmung an den von den Nazis vertriebenen Dirigenten Fritz Busch aus der Partitur.

Die Erinnerung daran ist gerechtfertigt, zumal sie zum damals schon eher antiquierten Frauenbild passt, das diese Oper preist. Viele Gründe dafür, sie trotzdem zu spielen, kommen aus dem Orchestergraben, und die meisten Bravos an dem mit großem Beifall aufgenommenen Abend gab es für das glänzend aufgelegte Staatsorchester und Patrick Lange: Der Generalmusikdirektor schien die Partitur in jedem Augenblick neu zu modellieren, bewies feines Gespür für Stimmungswechsel und feine Klangfarben. Bei aller Präzision gelang eine sehr entspannt wirkende Wiedergabe, die auch die dramaturgischen Hängepartien dieses Stückes elegant überbrückte.

Wiesbadener Kurier, Johannes Breckner, 13.03.2018

Es gibt in Richard Strauss‘ Oper „Arabella“ einen Moment, den man eigentlich gar nicht verstehen kann: Der Leutnant Matteo wird von Zdenka mit einem Hotelzimmerschlüssel ausgerüstet und meint, ein Liebesabenteuer mit seiner angebeteten Arabella zu erleben und merkt nicht, dass es deren Schwester Zdenka ist, mit der er schläft.

Der Regisseur und Intendant Uwe Eric Laufenberg hat bei seiner Inszenierung am Wiesbadener Staatstheater dieser operettenhaften Szene eine überraschende Plausibilität gegeben, indem er in der langen Zwischenaktmusik ein sehr gut gemachtes Video von Gérard Naziri einbaut, bei dem man nicht nur denkt, ja, so könnte man Sex haben, ohne sich zu erkennen, sondern auch noch zeigt, dass „Arabella“ 1933 uraufgeführt wurde und die Nazi-Machthaber auch sofort das Musikleben in Beschlag nahmen. Damit ist jede Operettensüßlichkeit getilgt, auch dadurch dass Laufenberg im dritten Akt Menschen mit beschädigten Seelen vorführt. Dass Arabella und Mandryka einmal glücklich werden, glaubt man nicht mehr. Umgekehrt hat Laufenberg schon ganz am Anfang der Oper auf eine fast beiläufige Weise gezeigt, dass Zdenka nicht, wie es das Libretto von Hofmannsthal glauben machen will, ein unbedarftes Wesen im Bubenkostüm ist, sondern eine vom ersten Wort an selbstbewusste Frau mit Empathiefähigkeit, die mit dringlicher Energie und auch immer mit wieder betörender Anmut von Katharina Konradi gesungen wird. So gesehen ist „Arabella“ in Wiesbaden eben nicht die letzte chauvinistische Oper im Wohlklang, für die man sie wegen Arabellas Aussprüchen wie „Du sollst mein Gebieter sein und ich Dir untertan“ oft hält.
3. Akt von Richard Strauss‘ „Arabella“ am Hessischen Staatstheater Wiesbaden

Das Bühnenbild von Gisbert Jäkel reflektiert die Doppelgesichtigkeit der Stücks. In dem rot eingefärbten pompösen Ballsaal im 2. Akt wirken die Personen immer hilflos, weil sie riesige Wege gehen müssen, um zueinander zu sprechen. Im 3. Akt werden sie dann auf einem Sofa mit nach vorne umkragenden Seitenlehnen förmlich zusammenzwängt und im 1. Akt beobachtet man das Geschehen wie ein Analytiker durch ein riesiges, Distanz schaffendes Passepartout, während sich an den Seiten schemenhaft hinter Gazevorhängen die Nebenhandlungen ereignen.

Doppelgesichtig ist auch die Partitur von Richard Strauss: Der Wiesbadener GMD Patrick Lange zelebriert dies geradezu, indem er vom raschen Konversationston und einem geradezu rhetorischen Orchestersatz sofort umschalten kann in den schönsten Wohllaut wie bei Arabellas „Aber der Richtige - wenn's einen gibt für mich auf dieser Welt“. Patrick Lange kennt das Stück offenbar sehr gut und will ihm zu seinem musikalischen Recht verhelfen. Seine Mittel sind handwerklich ausgefuchste Balanceakte zwischen klar und schwelgend.

Auch bei den Sängern gibt es in dieser Produktion die eine wie den anderen: operettenhaft Wolf Matthias Friedrich als Graf Waldner mit beweglichem Bassbuffo mit komischen Spieltalent, Sabina Cvilak als eine erratische, unnahbare Arabella wie eine griechische Statue. Den Leutnant Matteo stellt Thomas Blondelle mit seiner Tenorpotenz als triebgesteuerten Dümmling wie in einer Soap Opera dar, während Ryan McKinny im Gesang wie in der Mimik den Mandryka mit einer Mitleid erregenden Larmoyanz versieht. Und – wie gesagt – neben und über allen – als heimliche Hauptrolle die Zdenka von Katharina Konradi, bei ihr eine Person von Mozartscher Tiefe.

wdr.de, Richard Lorber, 12.03.2018

Mit der Oper „Arabella“ ging die produktive Zusammenarbeit zwischen Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal zu Ende. Der Dichter starb 1929, noch bevor er das Libretto der sonst üblichen Revision unterziehen konnte. Überhaupt wollte die unverkennbar gesuchte Anknüpfung an den gemeinsamen Erfolg mit dem „Rosenkavalier“ zwei Jahrzehnte zuvor zumindest nicht auf gleicher künstlerischer Höhe gelingen. Die Handlung der „lyrischen Komödie“, als die „Arabella“ im Juli 1933 ihre Dresdner Uraufführung erlebte, hat ihre Längen, die über dem Dekor und der Raffinesse der Musik eher noch kenntlicher werden.

Für die Wiesbadener Neuproduktion von „Arabella“ haben sich nach Richard Wagners „Tannhäuser“ zum zweiten Mal der Regie führende Intendant Uwe Eric Laufenberg und der seit Saisonbeginn als Generalmusikdirektor engagierte Patrick Lange zusammengetan. Dem Dirigenten und dem Hessischen Staatsorchester gelingt es dabei ganz vorzüglich, die um 1860 in Wien spielenden Stürme im Wasserglas mit viel Esprit, Farben und Wendigkeit zu grundieren. Es geht um die Familie des verschuldeten Grafen Waldner, der die eine Tochter, Arabella, an den reichen Mann bringen will, während er die andere, Zdenka, lieber als kostengünstiger zu haltenden Sohn ausgibt. Als Mandryka aus dem abgelegenen Slawonien sich in Arabella verliebt und es Zdenka gelingt, mit einer Verwicklung stiftenden Finte Arabellas Verehrer Matteo umstandslos ins eigene Bett zu lotsen, bedient sich die Handlung sogar Anspielungen an die Operette.

In den durchweg opulenten Bühnenbauten von Gisbert Jäkel und in Antje Sternbergs nicht weniger prachtvollen Kostümen hat Laufenberg das Geschehen in die Entstehungszeit der Oper verlegt: Im Haus des Wiener Fiakerballs, auf dem der zweite Akt am Faschingsdienstag spielt, droht ein kleiner Tischwimpel mit Hakenkreuz das Kommende an, und Gérard Naziris Videoeinspielung in der Orchestereinleitung zum dritten Akt überblendet Zdenkas erotisches Abenteuer mit Fratzen von Nazi-Aufmärschen. Mittels dieser punktuellen Hinweise erinnert Laufenbergs Regie an Brigitte Fassbaenders jüngste Frankfurter Deutung der letzten Strauss-Oper „Capriccio“ als Konversationsstück mit Anspielung auf die Kriegszeit. Nur dass hier, in „Arabella“, keine weiteren Konsequenzen zu ziehen sind. Alles ist ansehnlich aufbereitet: Im ersten Akt mit seinem Vorsprechen der Verehrer schafft ein Rahmen vor der Bühne sanfte Distanz, im dritten vermittelt ein möbliertes Treppenhaus eleganten Durchgangs-Charme, und nie stellt Laufenberg etwas anderes in den Vordergrund als den Gang der Handlung, so dass man sich manchmal eine wenigstens sanfte Intervention der Regie wünscht.

Musikalisch bleiben so gut wie keine Wünsche offen, denn so lebendig und facettenreich wie „Arabella“ in Wiesbaden im Orchestergraben ausmusiziert ist, wird die Oper ganz überwiegend auch gesungen. Sabina Cvilak gestaltet die Titelpartie mit mädchenhafter Leichtigkeit, aber reifem Verständnis, als ihre Schwester Zdenka hatte Katharina Konradi in der Premiere ebenso starken Beifall erhalten. In der zweiten Vorstellung war sie krank und wurde vertreten von Anja-Nina Bahrmann aus dem Ensemble der Volksoper Wien, die sich spontan in die Spielabläufe einfinden konnte und sich mit dunklerem Timbre schön jungenhaft von ihrer Schwester absetzte. Thomas Blondelles tenoral prächtiger Matteo stach zumindest vokal den etwas verschattet und in sich gekehrt gesungenen Mandryka von Ryan McKinny aus, während Wolf Matthias Friedrich und Romina Boscolo als Arabellas Eltern nie der Versuchung nachgaben, ihre Auftritte ins Operettenhafte abgleiten zu lassen. Gloria Rehm trumpfte mit den feschen Koloraturen der Fiakermilli auf, die auf der Strauss-Bühne noch einmal richtig das Wiener Blut wallen lassen sollte. So weltvergessen wie im „Rosenkavalier“ wollte das trotzdem nicht mehr gelingen. Daran erinnern uns Lange und Laufenberg in Wiesbaden treffend.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Axel Zibulski, 17.03.2018

Mit der Neuinszenierung der Lyrischen Komödie »Arabella« von Richard Strauss ist Uwe Eric Laufenberg, Chef des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden, der die Geschichte selbst in Szene gesetzt hat, ein Geniestreich gelungen. Alle Rollen waren stimmlich und optisch typengerecht besetzt. So brauchte es nicht viel an Personenregie, denn die Künstler sprachen für sich selbst. Gisbert Jäkel verzauberte die Bühne in ein heimeliges Wohnzimmer mit großen Fenstern, von wo aus Arabella und Zdenka das Geschehen auf der Straße beobachten können. Im Ballsaal fand sich auch für den glamourösen Auftritt der Fiaker-Milli der richtige Rahmen, und im Schlussakt verwandelte er diesen in ein glanzvolles Foyer mit schöner Treppe und minimalistischen Möbeln.
Der Liebesakt zwischen Zdenko und Matteo wird diskret per Video gezeigt, während draußen Nazi-getreue Truppen durch die Stadt ziehen. [...] Die wunderbare Musik von Richard Strauss und die unterhaltsame Inszenierung sprachen für sich! GMD Patrick Lange am Pult gab zusammen mit dem Hessischen Staatsorchester die fließende, blühende, fast leuchtende Tonsprache von Richard Strauss mit viel Gefühl und Sensibilität wieder. Die zuweilen an den »Rosenkavalier« erinnernden Melodiebögen, schwungvolle Walzer und slawische Volksweisen unterstreichen das Wiener Milieu zur Fastnachtszeit. Die Klangfreude aus dem Graben übertrug sich auf die Protagonisten.
Die Arabella von Sabina Cvilak ist von kultivierter Eleganz. Der gut geführten Sopranstimme fehlt es nur noch etwas an Dramatik und verständlicher Diktion, wofür sie aber mit ihrem Spiel und ihrer Erscheinung weitgehend entschädigt. Katharina Konradi als Zdenka ist entzückend. Sie schlüpft in die Hosenrolle mit ungeheurer Leichtigkeit und Glaubwürdigkeit, ihr jugendlich dramatischer warmer Sopran kommt ihr dabei zugute und ihre Verwandlung zur Zdenka am Schluss zeigt sie als liebenswürdige Darstellerin. Mit viel Komik udn Satire agieren die Eltern Graf Waldner und seine Frau Adelaide, die mit Wolf Matthias Friedrich sowie Romina Boscolo ideal besetzt sind. Auch Thomas Blondelle als schüchterner, sehr verliebter Matteo singt und spielt seinen Part mit Nonchalance und ausgezeichneter Stimme. Da kann man die Eifersucht des Grafen Mandryka, der in ihm einen Konkurrenten sieht, gut verstehen, denn er ist jung und hübsch. Doch für Arabella war es Liebe auf den ersten Blick, als sie dem Grafen begegnete. Ryan McKinny ist die Rolle auf den Leib geschrieben. Mit seinem grau melierten Haar, schlanker Figur, wohltönender Baritonstimme und charmanter Gestaltung kann er nicht nur Arabella, sondern auch das Publikum als Kavalier von adliger Herkunft überzeugen. Locker und quirlig, dazu noch von erstaunlicher Gelenkigkeit, präsentierte sich die Fiaker-Milli alias Gloria Rehm, die zudem mit halsbrecherischer Koloraturfähigkeit glänzte. Perfekt auch die restliche Solistenbesetzung sowie der spielfreudige Chor des Hessischen Staatstheaters. Das ansprechende Bühnenbild und die schönen Kostüme, die Antje Sternberg an die Entstehungszeit der Oper angepasst hat, vervollkommneten den erfreulichen Gesamteindruck. Man wurde von der guten Laune einfach mitgerissen.

Der neue Merker, Inge Lore Tautz, 01.04.2018

Mit einerfeinfühligen Neuinszenierung von »Arabella« konnte Uwe Eric Laufenberg an seinem Wiesbadener Haus einen beachtlichen Premierenerfolg feiern. Eigentlich ist die Inszenierung alles andere als spektakulär. Die Maria-Theresien-Möbel und der große Treppenaufgang des letzten Aktes gehören zu fast jeder»Arabella«-Inszenierung dazu. Die exotisch angehauchte Blumentapete des Foyers im ersten Akt und die Leuchten des späten Jugendstils, die Roben von Antje Sternberg und vor allem der aufwändige, dekadent glitzernde Ballsaal des Bühnenbildners Gisbert Jäkel deuten auf die 30er-Jahre hin, die Entstehungszeit der am 1. Juli 1933 in Dresden uraufgeführten Oper. Auch das ist nicht neu. Besonders aber ist, dass der Regie auf sehr unaufdringliche, geschmackvolle Art und Weise der Spagat zwischen Handlungs- und Entstehungszeit der Oper geglückt ist, die zugleich das Ende der Zusammenarbeit zwischen Richard Strauss und dem 1929 gestorbenen Hugo von Hofmannsthal markierte. Die Endzeit-Stimmung der Vorkriegszeit kommt lediglich in den Videosequenzen von Gérard Naziri zum Vorschein, die das Liebesspiel zwischen Matteo und Zdenka im letzten Akt auforiginelle Art untermalen. Sie zeigen nicht nur viel Haut, sondern auch auf sehr brutale Manier den Missbrauch der Semperoper als nationalsozialistisches Kulturgut. Gerade der Kontrast zwischen den operettenhaften Turbulenzen und der bitterbösen Realität lässt das Ende der Oper ungemein glaubhaft erscheinen. Vorallem aber entsteht eine Glaubhaftigkeit der Figuren und des doch etwas aus der Mode geratenen Stoffs mit Hilfe einer sensiblen Personenführung des Intendanten des Hessischen Staatstheaters, dem es gelungen ist, das heute fast archaisch erscheinende Bild der Frau überzeugend und tiefgründig in Szene zu setzen.
Das Sängerportfolio präsentiert eine hervorragend aufeinander eingestimmte Besetzung. Sabina Cvilak gab die wählerische Protagonistin, die auf den Mann ihrer Träume wartet, mit bezaubernder Hingabe. Sie gestaltete die Arabella mit wunderschönem, lyrischem Timbre und feinsinnigen Nuancen. Katharina Konradi sang die Zdenka mit leuchtend juvenilem Sopran, der an Leichtigkeit und Frische keine Wünsche offen ließ. Mit perligen, effektvollen Höhen sang Gloria Rehm die Partie der Fiakermilli.
Ryan McKinny war ein etwas zurückhaltender Mandryka, der gerade wegen seiner Distanz Charme und Erhabenheit gewann. Stimmlich setzte er seinen samtenen Bassbariton mit viel Emphase ein. Wolf Matthias Friedrich hatte als Graf Waldner Biss und Witz, Romina Boscolo gab die Gräfin mit dunkel gurrendem Mezzosopran. Thomas Blondelle war mit seinem eleganten, einfühlsamen Tenor ein charaktervoller Matteo. Aaron Cawleys Graf Elemer hingegen kam überwiegend im Einheitsforte daher. Solide: Benjamin Russell als Graf Dominik. Wortdeutlich und präzise agierten die von Albert Horne vorbereiteten Chorsänger.
Der Premierenabend war nicht zuletzt ein großer Erfolg für den neuen Wiesbadener Generalmusikdirektor Patrick Lange, der seit der laufenden Saison im Amt ist. Lange gelang eine nuancenreiche, farbenprächtige Interpretation der Partitur. Mit eleganten Linien und transparentem Klangbild ging der Dirigent mit großer Kollegialität auf die Sänger ein, die sich weniger durch ihre Einzelleistungen profilierten als vielmehr mit ihrer stimmlichen Homogenität überzeugen konnten.

Das Opernglas, M. Fiedler, 01.05.2018
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