Wolfgang Amadeus Mozart

LA CLEMENZA DI TITO

09.10.2011
Musikalische Leitung:
Konrad Junghänel
Inszenierung:
Uwe Eric Laufenberg
Bühne:
Tobias Hoheisl
Kostüme:
Antje Sternberg
Mit:
Rainer Trost/ Lothar Odinius, Adina Aaron/ Tatjana Larina, Anna Palimina/Maike Raschke, Franziska Gottwald/ Regina Richter/ Katrin Wundsam, Adriana Bastidas Gamboa, Matias Tosi/Jon Doo Park.
Chor:
Chor der Oper Köln
Orchester:
Gürzenich-Orchester

La clemenza di Tito

Rezensionen:

Laufenberg hat ein imposantes Kammerspiel auf den Treppen inszeniert, das nur selten und deshalb sehr wirkungsvoll von Chor und Statisterie überschwemmt wurde. Hier werden die Charaktere ausgeleuchtet, die Konflikte ausgetragen und besonders ausgesungen. Ein wunderbar heterogenes Quartett der Damen, von denen zwei in Hosen stecken, zeigt schon in der Besetzung weisen Zugriff. Servilia (Anna Palimina) ist die Unschuld vom Lande, ein sanfter lyrischer Sopran. Annio (Adriana Bastidas Gamboa) gibt die ehrliche Haut mit unerschütterlich glühendem Mezzo. Sesto (Franziska Gottwald) zündet für ihre Liebe den Palast an und ersticht fremde Menschen – sie führt ihren mild strahlenden Sopran durch umtriebige Koloraturen mit Emotionen aus Innenansicht. Und dann rauscht Vitell1a (Adina Aaron) machtgierig in die Szene. Ein Sopran, der hemmungslos aufmacht, der bei Verdi und Puccini Erfolge feierte, ein dramatisch befeuerter Machtsopran in dieser von Alter Musik inspirierten Mozart-Interpretation, der aus einer anderen Welt zu kommen scheint und hier genau richtig landet. Matias Tosi als Publio und der hervorragend spielende Rainer Trost als Titus verblassten auf sehr hohem Niveau vor dieser Frauenpower. Eine Arie mit obligater Bassettklarinette sprengte das Übliche, indem Instrumentalist Robert Oberaigner mit seiner Partnerin duettierend wie ein Faun über die Treppenstufen stolzierte –ein emotionsgeladener Effekt. Der Holzbläser repräsentierte optisch das Gürzenich-Orchester und den Dirigenten Konrad Junghänel, deren Team unglaublich transparent und kompakt den Raum allumfassend beschallte. Auch das schwierige Zusammen- bzw. Nebeneinanderspiel mit den Solisten gelang vorbildlich. Musik, Personenführung und Raum stehen in dieser Produktion ganz vorn. … Die Nähe der Akteure und der Klang, der den Hörer wohlig ummantelt, machen diesen Abend zum Pflichtprogramm – nicht nur für Opernfreaks.

Kölnische Rundschau, Olaf Weiden, 11.10.2011

Der Kölner Opernintendant hat sie in das imposante Treppenhaus des Gerichtsgebäudes am Reichenspergerplatz dergestalt eingebaut, dass das Publikum den Eindruck gewinnt: Es kann gar nicht anders sein. Architektur, Musik und Regie gehen hier eine suggestive Verbindung ein, in der ein Aspekt den anderen befördert und steigert. Bereits der Beginn der Ouvertüre – in der akkordischen Vertikale eine stilisierte Geste der Macht – lässt sich umstandslos auf das imperial-neobarocke Treppenhaus beziehen, welches ja (vor 100 Jahren) ebenfalls zu eines Kaisers Zeiten erbaut wurde.
Im Stückzettel wird zwar Tobias Hoheisel als Bühnenbildner genannt, aber die Bühne ist eigentlich schon »da«, Laufenberg muss nur die Möglichkeiten bedienen, die die vier Spielebenen und die allgegenwärtigen Treppen mit dem Mittelpodest als Aktionszentrum bereithalten. Für einen Regisseur, der sein Handwerk versteht, eine einmalige Chance – aber er muss sie eben auch wahrnehmen. Laufenberg tut es: Das räumliche Oben und Unten wird zum Ort sinnlich erfahrbarer Macht-, Machtverzichts- und Ohnmachtsgesten, die Handlungsimpulse der Beteiligten werden unmittelbar verständlich, eine nie nachlassende Spannung trägt das Handlungsgefüge, Auftritte und Abgänge gewinnen eine neue Bedeutsamkeit. Den Rezitativen hat Kürzung gut getan. Dass die im Haus verteilten Zuschauer – nur 500 können es jeweils sein – standortbezogen mit Sichtbehinderungen kämpfen müssen, ist hinzunehmen, ist der Preis für das Erleben einer außergewöhnlichen Produktion. Es gibt auch keine Übertitel, aber die Lichtverhältnisse ermöglichen das Mitlesen im Textbuch.
Der zweite Pferdefuß ist die hallige Akustik, mit der Konrad Junghänel am Pult des auf einem der oberen Balkone postierten Gürzenich-Orchesters aber bemerkenswert gut zurechtkommt. Er bremst und staut Verläufe, schaltet Pausen ein, so dass der Gesamtklang nicht verwaschen, sondern platziert und differenziert Wirkt. Aus dem weithin gewinnend aufspielenden Ensemble ragt der Klarinettist Robert Oberaigner heraus – er erscheint in Sestos großer Arie als dessen Alter Ego auf der Bühne. […]
Umwerfend wie ein Sturmwind Adina Aaron als Vitellia, die in ihrer Partie zur hochdramatischen Tragödin aufläuft. Wunderbar auch Franziska Gottwalds Sesto: ein gerade in der Altlage allzeit füllig-sinnlicher Mezzo, der zwischen Auflehnung, Hinnahme und Verzweiflung vielfältigste Regungen des Humanen darzustellen vermag. Anna Palimina als Servilia erfreut durch mädchenhafte Natürlichkeit, Adriana Bastida Gamboas Annio war die gemeldete Indisposition nicht sonderlich anzumerken, Marias Tosi gefällt als mürrischer Publio. Der Opernchor entfaltet sich unter ungünstigen Raumbedingungen potent. Insgesamt ein gelungenes Experiment, das auch angemessen bejubelt wurde. Nichts Schöneres als Wagemut, der sich lohnt.

Kölner Stadtanzeiger, Markus Schwering, 11.10.2011

Regisseur Uwe Eric Laufenberg gelingt in diesem grandiosen Ambiente seine bisher beste Arbeit in Köln […] der Rest wird durch Nicol Hungsbergs atmosphärische Lichtstimmungen erreicht, denn mehr braucht es auch nicht. In Antje Sternbergs modernen Kostümen, die Herren in Anzügen, die Damen in eleganter Fashion, entwickelt sich das Werk originalgetreu an der Handlung, spannend wie ein gutes Fernsehspiel um Macht und Liebe entwickelt Laufenberg seine ausgefeilte Personenregie der feinen Gesten, weiß jedoch auch den großen Raum zu bedienen, so dass die Sänger eigentlich Treppenzulage bekommen müssten. Obwohl als Seria mit überraschendem, hier nicht verratenem Finale inszeniert, werden doch auch humorvolle Aspekte zugelassen. Wenn man vielleicht auch nicht Alles sieht, macht das gar nichts, denn zu hören gibt es Schönes und Mehr. Konrad Junghänel hat ungeheuer exakt gearbeitet, die heikle Akustik zu bewältigen, und dabei mit dem hervorragend disponierten Gürzenich-Orchester trotzdem eine individuelle, tief emotionale Interpretation gewonnen, denn Orchester, Solisten und Chor sollen, trotz der Raumdifferenzen zusammen klingen. Schon allein dafür ein großes Bravo ! Ebenso wie beim exquisit besetzten »Krieg und Frieden«, findet sich hier ein wunderbar aufeinander abgestimmtes Ensemble zusammen. […] Anna Palimina setzt sich mit feinem, silbrigem Sopranklang als Servilia wunderschön ab, erfreut in einer dieser starken, "schwachen" Frauenpartien, die Mozart so eminent zu gestalten wußte, zumal sich Adriana Bastidas Gamboa, zwar als indisponiert angekündigt, auf das Vorteilhafteste im Duett mit ihrer Stimme mischt. Bastidas Gamboa erfreut durch ihren individuell timbrierten, durch einen angenehmes, leichtes Vibrato herausstechenden Mezzosopran als Annio. […] Der Chor der Kölner Oper hatte mich schon beim Prokofjew beeindruckt, die schönen Raumwirkungen mit Fernchören und wechselhaften Aufstellungen im Treppenhaus beim »Titus« erneuern die gute Meinung. Wieder zeigt die Oper Köln auch bei ihrer zweiten Produktion ihr enormes Potential, das sie unter der bisher glückhaften Intendanz Laufenberg genommen hat, das Publikum wußte das hörbar zu schätzen. Die Neuproduktion von Mozarts "Titus" gehört in ihrer Qualität eigentlich zum Pflichtprogramm für jeden Opernfreund! Schon wieder fünf Sterne für die Kölner Oper!

Der neue Merker, Martin Freitag, 19.02.2013

Opernintendant Uwe Eric Laufenberg – der Mann für große Gefühle und große Gesten. In der Inszenierung von Mozarts letzter Oper »La Clemenza di Tito« (Die Milde des Titus) ist ihm ein toller Wurf gelungen: Das Oberlandesgericht am Reichenspergerplatz macht er zum »Oper-Landesgericht«!
Das Treppenhaus des 100 Jahre alten Justizpalastes passt perfekt zum Drama um ein geplantes Attentat auf einen römischen Kaiser. Denn hier geht’s vor allem darum, Gnade vor Recht ergehen zu lassen.
Auf der Suche nach Ausweichorten während der Opernsanierung hat Laufenberg hier einen Ort für perfekten Klang gefunden: kristallklar, fast wie von CD, ein umwerfendes Hörerlebnis – so als ob das Haus von seinem Architekten Paul Thoemer nicht für Richter und Anwälte sondern für Sänger und Musiker entworfen worden wäre.

Zugegeben: Mit dem Gucken ist es von manchen der 440 Plätze schwierig, da helfen auch die aufgestellten Monitore nicht immer. Aber dem Premierenpublikum war’s egal: Bravos und Jubel aus allen Ecken des Hauses!

Express, Axel Hill, 11.10.2011

Standing Ovations und Jubelstürme im Oberlandesgericht! Die Oper ging wieder einmal »fremd« – und feierte mit Mozarts »La Clemenza di Tito« (Die Milde des Titus) einen sensationellen Erfolg. Intendant Uwe Eric Laufenberg inszenierte das Kaiserdrama als Justizthriller mitten im imposanten Treppenhaus. […] Fazit: Jubel für Top-Sänger, Musiker und Regisseur. Nix wie rein!

Bild, Michael Bischoff, 11.10.2011